Sonne, Wind und Niederschlag
Das Wetter wird für uns relevant, wenn wir einen Grillabend mit Freunden planen oder einen Segeltörn am Wochenende. Dass auch unser Konsumverhalten von Umgebungstemperatur und Niederschlägen abhängt, und zwar je nach Wohnort auf unterschiedliche Weise, ist eine der Kuriositäten, die im vorliegenden Buch thematisiert werden. So verzeichnen die Geschäfte in Miami (Florida) den höchsten Umsatz, wenn es regnet, denn bei schönem Wetter bevorzugt die vergleichsweise junge Bevölkerung den Aufenthalt im Freien. In Tampa dagegen, das sich im selben Bundesstaat befindet, leben vorwiegend ältere Menschen. Dort bleibt man bei schlechtem Wetter zu Hause und erledigt seine Einkäufe im Sonnenschein.
Für die Recherche zu ihrem jüngsten Werk war die Grafikerin Lauren Redniss aber nicht nur in ihrer amerikanischen Heimat unterwegs. Sie ist an Orte auf der ganzen Welt gereist, an denen extreme Wetterverhältnisse herrschen. Zum Beispiel in die Wüste Atacama, in der jahrelang kein Tropfen Regen fällt. Oder nach Spitzbergen, jener Inselgruppe zwischen Norwegen und Grönland, wo der Boden so hart gefroren ist, dass Beisetzungen zur Herausforderung werden. Die Region ist aber nicht nur zu kalt zum Sterben, auch Geburten sind dort schwierig. Es gibt nämlich keinen Gynäkologen, der dauerhaft auf dem Haupteiland weilt. Wegen des hohen Lohns hat sich die Thailänderin Tanyong Suwanboriboon trotz des widrigen Wetters entschieden, einige Jahre auf Spitzbergen zu leben und in einem Café zu arbeiten. Redniss hat die Frau in ihrer Küche interviewt, wo sie die Sonne des Polarsommers nutzt, um Kräuter und Gewürze aus ihrer Heimat zu ziehen.
Elektrisierendes Erlebnis
Ein weiterer Gesprächspartner, der Bemerkenswertes zum Wetter erzählen kann, ist der US-Amerikaner Steve Mashburn. Er wurde 1969 vom Blitz getroffen, während er an einem Drive-in-Schalter saß. Mashburn hat damals keine bleibenden Schäden davongetragen, dafür aber mit seiner Frau den internationalen Verein für Überlebende von Blitzschäden und Elektroschocks gegründet. Redniss geht in ihrem Buch zumindest ansatzweise auch auf die wissenschaftlichen Hintergründe der Wetterphänomene ein, mit denen sie sich befasst. So erfährt man, dass Mashburns Überleben eher die Regel als die Ausnahme darstellt, da in den Industriestaaten nur etwa zehn Prozent der Blitzschlagopfer an den Folgen der Naturgewalt sterben.
Auch kritische Aspekte im Zusammenhang mit dem Wetter spart die Autorin nicht aus, etwa die meteorologische Kriegsführung der US-Armee im Vietnamkrieg. In einem geheimen Projekt impfte die Air Force damals Wolken im Kriegsgebiet mit Silberiodid an, um Regen herbeizuführen, der den Waffen- und Gütertransport von Nord- nach Südvietnam erschweren sollte.
Ansprechende Aufmachung
Die vielen Anekdoten in dem Buch sind schon für sich lesenswert. Das Besondere von "Blitz & Donner" liegt allerdings in seiner künstlerischen Gestaltung, die weit über eine bloße Veranschaulichung des Textes hinausgeht. Die Illustrationen stellen wesentliche Elemente der einzelnen Kapitel dar; das Thema "Himmel" kommt sogar ganz ohne Text aus. Hier findet man ausschließlich grafische Darstellungen von verschiedenen Wolkenformen, einem Blitzgewitter sowie von Sonnenauf- und -untergängen. Die meisten Bilder entstanden in aufwändigen, nachträglich kolorierten Drucktechniken. Damit hat Redniss sich bewusst für eine Form entschieden, die Naturhistoriker seit Jahrhunderten einsetzen, um Pflanzen- oder Tierbeobachtungen ästhetisch zu dokumentieren.
Die Autorin hat aber nicht nur die Grafiken, sondern sogar die Schrift gestaltet, in der das Buch gesetzt ist. Passend zum Thema ihres Werks nannte sie den Font "Qaneq LR" nach dem Inuit-Wort für "fallender Schnee". Angesichts dieser kreativen Fülle wundert es nicht, dass Redniss, die auch für die "New York Times" arbeitet, vor einigen Jahren für den Pulitzer-Preis nominiert war. Mit ihrer Liebe zu künstlerischen Details hat sie eine besondere Art von Sachbuch geschaffen. Es richtet sich an alle, die Lust haben, zu schmökern und zu staunen. Und das für überraschend günstige 30 Euro.
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