Tabletten zum Zermörsern
Wenn jemand Fragen zu Aspirin, Voltaren oder Paracetamol hat, dann meist dazu, wie die Medikamente richtig anzuwenden sind, welche Nebenwirkungen sie haben und wohin man sie nach Ablauf entsorgen kann. Eine gänzlich andere Art, mit ihnen umzugehen, stellt der Chemiker Georg Schwedt in diesem Buch vor. Demnach lässt sich mit solchen Arzneien auch experimentieren, indem man sie kocht, verdampft und mit Chemikalien versetzt, um herauszubekommen, welche Stoffe sie enthalten. Das alles ist mit einfachsten Laborgeräten und Mitteln machbar. Schwedt, der als Professor fast 20 Jahre lang Chemie an der TU Clausthal lehrte, hat für das Fachbuch insgesamt 88 Versuche entwickelt und eigens zusammengestellt. Es sind durchweg Experimente rund um die Mittelchen einer Hausapotheke.
Das Buch ist in drei Kapitel untergliedert. Im ersten befasst sich der Chemiker mit anorganischen Präparaten wie Glaubersalz, Jodtabletten oder Eisenpräparaten. Er geht darauf ein, wie sie wirken und welche Tests damit möglich sind. Im zweiten, ähnlich aufgebauten Abschnitt dreht es sich um organische Mittel wie Aspirin, Diclofenac oder Akne-Gele. Das dritte und letzte Kapitel erklärt, wie einfache Arzneien, beispielsweise Zinksalbe, Koffeinpillen oder Harnstoff-Puder, selbst zubereitet werden können.
Placebos mit Inhalt
Da die Versuche alle einfach gehalten sind, zielen sie nicht immer darauf ab, die Wirkstoffe selbst zu untersuchen – oft geht es auch nur um die Zusatzstoffe. Der Autor präsentiert beispielsweise Tests zur Haltbarkeit der Gelantinehülle oder zu den überraschend zahlreichen Beifügungen in Placebo-Mitteln. Den Experimenten stellt der Chemiker stets Erklärungen dazu voran, wie die Hauptwirkstoffe den Organismus beeinflussen. Leider sind diese Abschnitte sehr sperrig zu lesen, im Gegensatz zu den einfachen und gut nachvollziehbaren Versuchsbeschreibungen. Zudem verwendet Schwedt chemische Strukturformeln und für Laien absolut unverständliche Fachwörter.
Wiederum eingängiger sind seine Hintergrundgeschichten. Dort erfährt das Publikum, dass der Pepsi-Cola früher ein tierisches Enzym namens Pepsin zugesetzt war, das die Verdauung fördern sollte und als appetitanregend galt. Auch hierzu schlägt der Autor einen Versuch vor, allerdings mit Pepsinwein, der das Enzym heute noch enthält. Zu lesen ist ebenso, dass der Name von Arthur Eichengrün, Mitentdecker des Synthesewegs von reiner Acetylsalicylsäure (dem Wirkstoff von Aspirin), meist verschwiegen wird. Ein noch vorhandenes Laborprotokoll aus dem Jahr 1897 beweise die Beteiligung Eichengrüns, Jude und Überlebender des KZ Theresienstadts, an diesem medizinischen Durchbruch, schreibt Schwedt.
Das Werk ist trotz interessanter Hintergrundanekdoten und einfacher Versuche eher nichts für Laien. Chemie Lehrende oder daran Interessierte finden hier jedoch gut nachvollziehbare Anleitungen dafür, wie sich mit zahlreichen bekannten Arzneipräparaten experimentieren lässt.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben