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Von Drachenblut und Heidelbeeren

"Hätt' ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz", wer sieht bei diesen Worten nicht Schneewittchen vor dem inneren Auge? Ingo Klöckl denkt dabei an Titandioxid, Cadmiumselenid und Lampenruß. Der passionierte Maler und Chemiker will es genau wissen: Was enthält die Tube mit gelber Ölfarbe? Warum bildet das Leinöl darin einen klaren Film? Und weshalb wirkt Chromocker rein, im Gegensatz zum verschmierten gelben Ocker?

Die Antworten liefert Klöckl im vorliegenden Buch, das die optische Wirkung von Farbmitteln chemisch und physikalisch detailliert erklärt. Darüber hinaus beleuchtet das Werk, wie sowohl historische als auch moderne Farbmittel in der Kunst hergestellt und eingeteilt werden. Zudem beschreibt der Autor verschiedene Malhilfsmittel wie Papier oder Leinöl und erläutert deren Effekte auf den Farbeindruck. Im Anhang laden knapp 900 Literaturverweise zum Weiterlesen ein.

Glanz und Schimmer

Klöckl erklärt zunächst physikalische Wechselwirkungen zwischen Licht und Pigmentpartikeln, wobei er auf historische und moderne Pigmente eingeht. Er behandelt Streuung, Glanz und Reflexion und erörtert, inwiefern sie von der Partikelgröße abhängen – gleich, ob es sich dabei um die Farbmittel Weiß mit halbleitenden Weißpigmenten oder Grün mit Kupferverbindungen handelt.

Die Leser erfahren auch, wie der Aufbau von Molekülen deren Farbe bestimmt. Dabei geht es beispielweise um elektronische Mechanismen in Halbleitern, in Ligandenfeldern, bei Charge-Transfer-Übergängen oder in Molekülorbitalen. Anschließend stellt der Autor ein breites Spektrum natürlicher und synthetischer Farbmittel vor, von Altägyptischblau über scheeles Grün und Schneeweiß bis zum Goldrubin in Gläsern. Warum sie welchen optischen Eindruck ergeben und wie sie hergestellt werden, erklärt Klöckl an jedem einzelnen Stoff, wobei er auf die jeweiligen chemischen und physikalischen Prozesse eingeht.

Die schönste Farbe nützt wenig ohne geeigneten Untergrund und Hilfsstoffe. Welch große Rolle diese spielen, geht aus dem Buch gut verständlich hervor. So können Haftgründe wie Papier, Glas oder Keramik die Farbe deutlich verändern, desgleichen Tenside wie Ochsengalle oder ölhaltige Bindemittel wie fette Eitempera. Der Vollständigkeit halber befasst sich der Autor zum Schluss mit allerlei Tinten: Von Rußtinten über solche in der Buchmalerei bis hin zu Tinten für Drucker und Kopierer.

Solide Recherche

Bei der Lektüre scheint immer wieder durch, wie gründlich Klöckl recherchiert hat. Er unternimmt souveräne Exkurse in die physikalische Chemie. Vertiefte Einzelheiten steuert er aus seinem Studium der Milchwirtschaft, der Welt der Klebstoffe und des professionellen Backens bei. Vieles davon hat er sicherlich selbst ausprobiert. Man merkt ihm die Freude am Thema auf jeder Seite an. Leider verzichtet der Autor auf farbliche Darstellungen, womit er in einem Buch über Farbe didaktische Möglichkeiten verschenkt.

Die enorme Wissensfülle, die das Werk bereit hält, ist eine Fundgrube sowohl für Wissenschaftler als auch für Künstler. Das Buch lässt sich als Nachschlagewerk nutzen und kann gewiss auch Impulse für neue Entwicklungen in der Welt der Farbmittel geben, beispielsweise in der industriellen Forschung und Produktion. Besonders in den theoretischen Abschnitten scheut Klöckl nicht vor chemisch-physikalischen Details zurück. Sein Band ist daher keine leichte Kost und setzt bei den Lesern entsprechende Vorkenntnisse voraus.

Dennoch kommen auch interessierte Laien durchaus auf ihre Kosten. Wer weiß schon, dass das in der Buchmalerei verwendete Drachenblut aus dem Harz des Drachenblutbaumes gewonnen wurde und ein kräftiges Rot ergibt? Oder dass das die Farbe Saftgrün aus bräunlichen Pflanzensäften sowie aus unreifen Heidelbeeren hergestellt wird, aber erst nach dem Zusatz von Alaun grün wird? Solche interessanten Fakten mögen viele Laien für die zahlreichen chemischen Strukturformeln und komplizierten physikalischen Beschreibungen entschädigen.

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