Neurobiologie der Beratung
Der Begriff Coaching stammt aus dem Leistungssport und meint dort die motivierende Betreuung von Wettkämpfern. In den 1970er Jahren übertrug man ihn auf die zielorientierte Beratung von Führungskräften. In Gesprächen sollen die Klienten ihr Führungsverhalten reflektieren und so die Eigen- und Teamleistung erhöhen. Dafür werden neben beruflichen oft auch private Themen erörtert – ähnlich wie in einer Therapie.
Gerhard Roth ist Professor für Entwicklungsneurobiologie und Verhaltensphysiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Alica Ryba leitet ein Coaching-Unternehmen. Laut den beiden erweist sich das Feld des Coachings noch als sehr heterogen, ihm fehlen ein theoretisches Gerüst sowie praktische Nachweise. In ihrem Buch betrachten die Autoren diese Form der Beratung aus einer neurobiologischen Perspektive heraus und vergleichen sie mit der Psychotherapie.
Laut Roth und Ryba werde die Psychotherapie bei erkrankten Menschen eingesetzt, das Coaching hingegen bei gesunden. Therapeuten und Berater arbeiten mit ähnlichen Techniken, beispielsweise definieren sie Ziele, aktivieren den Klienten, schulen seine Wahrnehmung von Körperempfindungen und regen zum Perspektivenwechsel an.
Uneinheitliche Ausbildung
Das Buch plädiert für eine "psychotherapeutische Grundlage des Coachings". Die Ausbildung zum Coach sei bisher uneinheitlich und beinhalte wenig Selbsterfahrung. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Berater eigene Probleme in die Sitzung hineintrage.
Mit Hilfe detaillierter Grafiken etwa von Synapsen und Hirnarealen transportiert das Buch sehr viel Wissen über neurobiologische Grundlagen. Darüber hinaus liefert es Überblicke über verschiedene Themen der Psychologie wie das menschliche Gedächtnis. So werde die Persönlichkeit von unseren Erinnerungen und Lernvorgängen bestimmt. Hier müssten Versuche, unser Verhalten zu ändern, ansetzen, glauben die Autoren.
Das Werk zeigt die neurobiologischen Mechanismen hinter psychischen Prozessen auf. Für das Gehirn sei es beispielsweise aufwändig, Gewohnheiten zu ändern: Während Bekanntes durch Opioide aus den Basalganglien gefördert werde, benötige Neues stoffwechselphysiologisch mehr Energie.
Deshalb muss bei einer Intervention eine Belohnung winken. Schnell, allerdings oft nur kurzfristig funktionieren zum Beispiel materielle Anreize. Die Anerkennung durch andere spornt uns dagegen langfristiger an. Am effektivsten wirkt jedoch die intrinsische Motivation. Selbstbestimmte Ziele bedürfen keiner anderen Belohnung mehr und sollen daher bei der Personalführung geweckt werden.
Das Grundlagenwerk von Roth und Ryba ist sinnvoll gegliedert und überzeugend geschrieben. Es gibt Psychotherapeuten, psychologischen Beratern und Coachs Auskunft über den aktuellen Stand der interdisziplinären Forschung und wertvolle Anregungen für die Praxis.
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