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»Corona-Kommunikation«: Eine bessere Kommunikation war möglich

Marc-Denis Weitze blickt kritisch differenzierend auf die Kommunikation von Wissenschaft während der Coronapandemie. Seine unaufgeregte Argumentation überzeugt.
Kind und Teddy mit Maske

In Deutschland ist die Diskussion um den Umgang mit der Coronapandemie immer noch in vollem Gang – ja, sie scheint teilweise erst mit einer gewissen Verspätung angemessen möglich zu sein. Forderungen nach deren Aufarbeitung sind mittlerweile quer durch das politische Spektrum respektabel, obgleich bei der Frage nach dem geeigneten Format weiterhin Klärungs- und Abstimmungsbedarf besteht.

Wer als Politiker, Journalist, Wissenschaftler oder auch »normaler Bürger« an einem ehrlichen Rückblick auf die Pandemiejahre interessiert ist, dem kann man Marc-Denis Weitzes Buch nur empfehlen. Nach der Veröffentlichung der RKI-Krisenstabsprotokolle im Frühjahr 2024, deren Schockwirkung sich nicht allein aus ihrem wenig überraschenden Inhalt erklären lässt, erscheint das Werk aktueller denn je. Die 28 Kapitel sind als Sammlung von Fallbeispielen angelegt. Gleichzeitig gelingt dem Autor aber auch eine gute Systematisierung dieses vielfältigen Themas.

Schon der Titel lässt erahnen, dass Weitzes Analyse der Wissenschaftskommunikation während der Pandemie durchaus kritisch gerät. Aber auch wenn der Text aus der Perspektive mancher Leser an ihren Helden oder Überzeugungen rütteln mag, so gelingt ihm dies doch angenehm aggressionsfrei. Dabei hilft, dass Weitze im ersten Teil des Buchs zunächst relevantes Hintergrundwissen zu den Herausforderungen von Wissenschaftskommunikation vermittelt, bevor er sich konkreten Fallstudien zuwendet. So kann sich eine Bewertung der Corona-Kommunikation auf Erfahrungswerte stützen und verharrt nicht bei der Artikulation eines Bauchgefühls. Dass etwa Vertrauen in Wissenschaft nicht einfach aus der Kommunikation (vermeintlicher) Fakten erwächst, sondern das Ergebnis eines delikaten sozialen Interaktionsprozesses zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit ist, hätte man schon zum Zeitpunkt der Pandemie wissen können, wie Weitze mit Verweis auf Erfahrungen mit Kernenergie und grüner Gentechnik überzeugend darlegt.

Zu viel Überredung, zu wenig Dialog

Ausgehend von diesem Befund, arbeitet Weitze anhand von Fallbeispielen konkrete Defizite der Wissenschaftskommunikation während der Pandemie heraus – zum Beispiel im Kontext von Studien zum Gebrauch von Masken oder bei der Durchführung der Impfkampagne. Zu wenig differenziert, zu unkritisch, zu sehr auf Überredung ausgerichtet habe man Wissenschaft häufig vermittelt, statt, wie beispielsweise bei der erfolgreichen Bremer Impfkampagne, auf Dialog und unvoreingenommene Aufklärung zu setzen. Dass in der Kommunikation über die Pandemie durch Versatzstücke wie Modellkurven Wissenschaftlichkeit oft eher suggeriert denn vermittelt wurde, lässt Weitze an den Soziologen Robert K. Merton denken: Offenbart sich hier eine Anfälligkeit der modernen Gesellschaft für einen Mystizismus im Gewand wissenschaftlichen Jargons? Anstoß zu fruchtbarer Selbstreflexion der Wissenschaft könnte dieser Gedanke allemal sein.

Auch bei reichweitenstarken Formaten wie dem »Coronavirus-Update« or »maiLab« gibt Weitze einige Punkte kritisch zu bedenken. Hier war teilweise ein eher zum Applaus neigender, sogenannter Gee-Whiz-Wissenschaftsjournalismus an der Tagesordnung. Auch gab es immer wieder eine problematische Verwischung von Rollen an den Schnittstellen von Wissenschaft, Medien und Politik.

Der zweite Teil des Buchs geht über das Thema Wissenschaftskommunikation im engeren Sinn hinaus und ist einer ausführlichen Betrachtung dieser Schnittstellen gewidmet. Weitzes Analyse diagnostiziert hier ein suboptimales Zusammenspiel der Akteure, oft geprägt von gegenseitigen Missverständnissen, fehlender kritischer Distanz und Rollenüberschreitungen. Er ruft aber auch in Erinnerung, dass es durchaus Stimmen in Politik und Wissenschaft gab, die auf die unterschiedlichen Anforderungen und Aufgaben der jeweiligen Sphären hingewiesen und sie gegen den Kurzschluss vom (vermeintlichen) Wissen aufs Sollen verteidigt haben. Sehr lesenswert ist Weitzes Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Politikberatung während der Pandemie. Er erinnert daran, dass Distanz, Pluralität, Transparenz und Öffentlichkeit in diesem Bereich eigentlich akzeptierte Standards akzeptiert gewesen seien. Dennoch seien diese etwa in Stellungnahmen von Ethikrat und insbesondere der Leopoldina einem zunehmend aktivistischen und paternalistischen Wissenschaftsverständnis gewichen.

Auch zur Rolle der Medien birgt Weitzes Analyse einiges, das sich diese Profession zu Herzen nehmen sollte. So stellt Weitze fest, dass in der Diskussion um die »Infodemie« in der Pandemie das eigentlich überholte Defizitmodell der Wissenschaftskommunikation durchscheine, demzufolge die Ablehnung des Kommunizierten schlicht auf mangelndem Wissen beruhe. Doch auch wenn das Buch hinsichtlich der Corona-Kommunikation einiges zu bemängeln hat, bleibt es eine Einladung zur gelungenen Vermittlung von Wissenschaft. Und egal, welche Ansichten man zur Kommunikation während der Pandemie haben mag, in Weitzes sympathischem Schlussplädoyer für Pluralität, Dialog und gesunden, unaufgeregten Umgang mit Skepsis sollten sich viele wiederfinden können. Dem Buch ist eine breite Leserschaft zu wünschen.

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