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Von Corona in die nächste Krise?

Die Covid-19-Pandemie hinterlässt nicht nur medizinische Spuren. Zu ihren Folgen gehören auch politische und ökonomische Krisen bis hin zu einer globalen Rezession.

Die Auswirkungen von Sars-CoV-2 sind dramatisch: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt aktuell 2,7 Millionen mit oder an Covid-19 verstorbene Menschen weltweit (Stand: 22. März 2021). Die Pandemie muss man zudem im globalen wirtschaftlichen und politischen Kontext betrachten. In mehr als 100 Ländern steigen die Arbeitslosenzahlen, Unternehmenskonkurse und die staatlichen Defizitquoten. Selbst in der Europäischen Union verlieren Teile der Bevölkerung das Vertrauen in ihre politischen Institutionen. Diesen komplexen Entwicklungen widmet sich der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Paul J. J. Welfens in seinem Buch, das er noch während der ersten Pandemiewelle Mitte 2020 verfasste. Ein global verfügbarer Impfstoff gegen Covid-19 war zu dieser Zeit noch nicht auf dem Markt, und der amtierende US-Präsident hieß Donald Trump.

Globale Wirtschaftskrise?

Welfens argumentiert, die Covid-19-Pandemie könne in eine weltwirtschaftliche Krise führen. In seinem Werk geht er den Fragen nach, in welche Richtungen sich die internationalen Gewichte verschieben, wer als Gewinner und Verlierer der Pandemie auszumachen ist und welche Reformen notwendig sind, um kommenden Problemen entgegenzuwirken. Dazu legt er eine umfangreiche Analyse der Covid-19-Auswirkungen auf die Welt- und Wirtschaftspolitik vor. Das Buch ist in vier Teile gegliedert: Der erste befasst sich mit der Covid-19-Pandemie und ihrer Bekämpfung. Darauf folgen Ausführungen zu globalen wirtschaftlichen Instabilitäten. Der dritte Teil behandelt das mögliche Risiko eines Eurozerfalls, und der letzte Abschnitt thematisiert die Frage der globalen Führungsrolle.

Die USA sieht Welfens wegen der hohen Infektions- und Todeszahlen, eines reformbedürftigen Gesundheitssystems und eines populistischen Präsidenten, der Covid-19 herunterspielt, als großen Verlierer der Krise. Wo zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen internationale Kooperation notwendig ist, falle das Land als Führungsmacht aus. Vielmehr habe es (neben seinem Handelskrieg mit China) durch den Austritt aus der WHO – da diese zu sehr von China beeinflusst sei – ein zusätzliches Konfliktzentrum eröffnet.

Auch die EU erscheint angeschlagen und laufe Gefahr, in die nächste Krise zu rutschen. Sie habe insgesamt wenig finanziellen Spielraum, weshalb eine koordinierte Fiskal- und Maßnahmenpolitik nötig sei. Doch eine Strategie, um eine weitere Eurokrise zu vermeiden, sei nicht vorhanden. Nicht einmal den inzwischen vollzogenen Brexit habe man in seinen Ursachen und Folgen vollständig aufgearbeitet. Italien sieht Welfens als mögliches Epizentrum für eine zweite Eurokrise.

Deutschland jedoch, das 2020 im Vergleich zu anderen Ländern noch recht gut durch die Pandemie kam, zählt er zu den Gewinnern der Covid-19-Krise. Dank der finanziellen Konsolidierung der letzten Jahre könne es aktuell eine »recht entspannte« Finanzpolitik betreiben. Allerdings sei durch die Pandemie die deutsche Digitalschwäche zu Tage getreten. Überhaupt zählt Welfens die Kommunikations- und Computerindustrie sowie die Pharmaindustrie zu den Krisengewinnern.

Insgesamt glaubt der Autor, die politischen Gewichte werden sich von den USA Richtung EU verlagern, aber vor allem Richtung China. Eine schwere Rezession könnte man ihm zufolge unter anderem durch eine expansive Fiskalpolitik im Hinblick auf Innovations- und Gründerförderung, Liquiditätsmaßnahmen für Banken sowie eine Verstärkung des Multilateralismus vermeiden. Bei der Vergabe von Hilfsgeldern müsse man jedoch auch kleine, wirtschaftlich schwache Staaten berücksichtigen, denn ihnen droht der Staatsbankrott. Welfens nennt als Beispiele den Libanon oder Jordanien, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen strategisch wichtig sind und mit Finanzhilfen der EU, der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds stabilisiert werden müssen.

Ein Buch auf dem Höhepunkt einer noch nicht beendeten Krise zu schreiben, ist ein mutiges Unterfangen. Das zeigt auch dieses Beispiel, denn die Situation ist äußerst dynamisch und ändert sich schnell. So erscheint etwa Welfens Einschätzung, Deutschland gehöre zu den Gewinnern der Pandemie, bereits Anfang 2021 fraglich. Und der neu ins Amt gewählte US-Präsident Joe Biden ist derzeit bemüht, die innen- und außenpolitischen Scherbenhaufen seines Vorgängers zu kitten. Das könnte den USA die verloren geglaubte Führungsrolle schneller als vermutet zurückbringen. Zwar weist Welfens darauf hin, dass Populisten (wie Trump) durch Covid-19 »entzaubert werden«, was in einigen Ländern zu Machtwechseln führen könnte. Doch schaut man sich die US-Wahlstatistiken zur Zufriedenheit mit der Pandemiebekämpfung 2020 an, erkennt man deutlich, dass es nicht (nur) die Pandemiepolitik Trumps war, die letztlich zu seiner Abwahl geführt hat. Ohnehin wird sie entlang der Parteilinien völlig konträr bewertet.

Zwar konnte und kann Welfens den weiteren Verlauf der Pandemie und der politischen Entwicklungen natürlich nicht kennen. Doch sein Buch stellt durch seine Warnungen und Ratschläge einen nach wie vor aktuellen und lesenswerten Diskussionsbeitrag dar. Es führt weg von der einseitigen Betrachtung von Inzidenzwerten und stellt die Covid-19-Pandemie in einen komplexen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhang. Seine umfassende Darstellung vermittelt eine Fülle detaillierter Informationen. Das Werk eignet sich nicht nur für Ökonomen und Politologen, sondern richtet sich auch an Politiker und Politikberater. Politische und wirtschaftliche Fachkenntnisse sollten vorhanden sein.

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