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Buchkritik zu »Darwin & Co.«

Die Herausgeber legen in 52 Porträts bedeutender Biologen und Biologinnen eine an Personen orientierte Geschichte der neuzeitlichen Biologie vor. Dass der Name Charles Darwin für den Titel des Werkes steht, kommt nicht von ungefähr. Darwin (1809-1882) hat das Gesicht der modernen Biologie wie kein anderer geprägt. Aber "die Herausbildung des biologischen Gedankengebäudes hat sehr viel mehr Vorväter als nur Darwin", wie die Herausgeber im Vorwort bemerken, zum Beispiel Carl von Linné (1707-1778), Georges L. L. de Buffon (1707-1788), Charles de Bonnet (1720-1793), Jean Baptiste Lamarck (1744-1829), Richard Owen (1804- 1892) und Lorenz Oken (1779-1851). Sie und andere Forscher können als Wegbereiter Darwins gelten und ragen überdies durch eigene Leistungen hervor. Dass nur zwei Frauen unter den Porträtierten sind, nämlich Elena Aleksandrovna Timoféeff-Ressovsky (1898- 1973) und Barbara McClintock (1902 – 1992), darf nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Wissenschaft war eben den größten Teil der Zeit eine Domäne von Männern. Diese historische Trivialität musste naturgemäß auch in diesem Werk ihren Niederschlag finden, dessen He-rausgeberin unter Biologiehistorikern freilich internationales Ansehen genießt. Über die Einzelbiografien hinaus kann man "Darwin & Co." auch einige der Kraftlinien entnehmen, die der Biologie ihren heutigen Status als Leitwissenschaft verschafft haben. Bei der überragenden Bedeutung der Biologie für die Entwicklung unserer Zivilisation ist es interessant zu sehen, welche hervorragenden Leistungen dafür verantwortlich sind. Ich habe mit diesem Werk viele interessante Stunden verbracht. Es liefert verlässliche Information über Leben und Werk nicht nur bekannter Forscher, sondern widmet sich auch etlichen, die größere Bekanntheit verdient hätten, wie dem Botaniker und Paläontologen Walter Zimmermann (1892-1980) oder dem "Altmeister" der Limnologie, Robert Lauterborn (1869-1952). Dagegen fehlen bedeutende Forscher wie der Zoologe und Naturphilosoph Bernhard Rensch (1900-1990) und der Begründer der modernen theoretischen Biologie, Ludwig von Bertalanffy (1901- 1972). Die Herausgeber begründen diesen "Mangel" im Vorwort mit den Grenzen, die ihrem Werk gesetzt wurden. Sie haben auch die antike und mittelalterliche Biologie bewusst ausgelassen, um chronologisch mit der Person Linné und seiner Zeit zu beginnen, welche die He-rausbildung der Biologie als eigenständiger Wissenschaft markieren. Noch lebende Personen wurden grundsätzlich nicht berücksichtigt; andernfalls wäre das Fehlen von Ernst Mayr in diesem Werk kaum verzeihlich. Wissenschaft lebt von verschiedenen Temperamenten, und sie wäre viel ärmer, träfen die überkommenen Stereotype vom trockenen, leidenschaftslosen, nur der Wahrheit verpflichteten Forscher zu. "Darwin & Co." zeichnet die tragenden Figuren der Biologiegeschichte – fröhliche und betrübte, erfolgreiche und enttäuschte – in ihrer ganzen Buntheit. Da hat Erich von Holst (1908-1962), der geniale Begründer der Verhaltensphysiologie, der in Kenntnis seiner relativ geringen Lebenserwartung sehr intensiv lebte, ebenso seinen Platz wie der eigenbrötlerische George G. Simpson (1902-1984), der zu den bedeutendsten Paläontologen und Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts zählt. Oder die Genetikerin Barbara McClintock, die die "springenden Gene" beim Mais erforschte und so die Genetik revolutionierte, allerdings erst spät Anerkennung für ihre Arbeit fand. Beide Bände werden durch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis ergänzt. Dabei werden Originalwerke der vorgestellten Forscher und Forscherinnen ebenso angeführt wie Sekundärliteratur (zum Beispiel Biografien). Dieser Anhang eignet sich bestens als Führer zu weitergehenden Studien. Überhaupt kann dieses Werk als sehr gute Einführung in das Studium der Biologiegeschichte empfohlen werden – und darüber hinaus: Zwischen den Zeilen bietet es viele Hinweise auf die sehr vertrackten und komplizierten Wege der biologischen Erkenntnis und kann auch von ganz allgemein an Wissenschaftsgeschichte Interessierten Gewinn bringend durchgeblättert, besser noch: intensiv gelesen werden. Die Aufmachung ist ansprechend – Bilder der vorgestellten Forscher (Forscherinnen) tragen dazu bei –, der Preis ist dem Umfang und der Qualität des Werkes angemessen. Wichtiger noch: Man lernt Biologiegeschichte als ein sehr lebendiges Fach zu verstehen.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 02/2002

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