Auf den Hund gekommen
Warum haben Menschen und Hunde eine so intensive, fast familiäre Beziehung zueinander aufgebaut? Warum gilt der Hund als »bester Freund des Menschen«, obwohl er vom Wolf, einem gefürchteten Raubtier, abstammt? Diesen Fragen will Bryan Sykes in seinem Buch nachgehen und beschreibt, welche wissenschaftlichen Methoden sich für die Nachforschung eignen.
An den Anfang stellt der Autor die fiktive Geschichte einer Wölfin und ihrer Erfahrungen mit Steinzeitmenschen. Darin verpackt er die Hypothese, das Jahrtausende währende Zusammenleben von Menschen und Hunden habe sich aus einer Zweckgemeinschaft von Menschen und Wölfen für ein erfolgreiches Jagen entwickelt. Sykes, der zugleich Humangenetiker ist, sucht den Beweis dafür, dass Hunde tatsächlich von Wölfen abstammen. Und er fahndet danach, ob sich die enger werdende Mensch-Hund-Bindung im Erbgut der Tiere widerspiegelt. Dabei spannt er den Bogen vom Auftauchen der ersten Hunde im Jungpaläolithikum über ihre Domestikation bis zur modernen Züchtung von Rassen. Wissenschaftliche Erläuterungen machen den Schwerpunkt des Buchs aus. Erzählende Passagen sowie Interviews mit Tierforschern und zahlreichen Hundebesitzern gesellen sich hinzu.
Die Enträtselung des Stammbaums
Nach einem Einschub zu Darwins Evolutionstheorie führt Sykes seine Leser in molekulare Grundlagen ein. Schnell wird es anspruchsvoll, etwa wenn es um die Erforschung des molekularen Hundestammbaums mit immer diffizileren genetischen Techniken geht. Eine dieser technischen Entwicklungen betrifft die Analyse mitochondrialer DNA, die beispielsweise den sicheren Beweis für die Abstammung des Hunds vom Wolf lieferte. Weiterhin erläutert er unter anderem das Prinzip der Sättigungskartierung, die viele neue Erkenntnisse zur Vererbung ermöglicht habe. Ebenso stellt er mit dem so genannten Next Generation Sequencing und der SNP-Technik zwei Methoden vor, um einzelne Gene beziehungsweise Moleküle eindeutig zu identifizieren oder ihren Aufbau zu entschlüsseln.
Überraschenderweise, schreibt der Autor, lassen schon früheste Höhlenmalereien auf unterschiedliche Hundetypen wie Jagd- und Wachhunde schließen. Auch trage der Anubisschrein aus einem altägyptischen Grabmal als Symbol des Gottes die geschnitzte Figur eines Schakals − der aber eher einem Windhund ähnele.
Mit der Gründung des berühmten Kennelclub in England, so Sykes, habe die gezielte Züchtung auf bestimmte äußere Merkmale begonnen. Bereits 1859 habe die erste Rassehundeausstellung stattgefunden. In diesem Zusammenhang erfahren die Leser, dass unterschiedliche Rassen oft durch Inzucht entstehen – was nicht selten zu gesundheitlichen Schwächen und körperlichen Schäden führt. Der Autor führt mehrere Beispiele hierzu an, verdeutlicht daran die Bedeutung von Mutationen und stellt Methoden zur Auffindung von Einzelgenen vor. Dalmatiner etwa leiden infolge eines Gendefekts häufig unter Gicht. Weil das betroffene Gen zugleich Erbinformationen für die Fellfärbung enthält, wird der Defekt aber nicht ausselektiert.
Was die trotz der wissenschaftlichen Fortschritte noch weitgehend ungeklärte Frage betrifft, inwiefern bestimmte Verhaltensweisen auf genetische Ursachen zurückgehen, kann Sykes zumindest eine interessante Tatsache nennen: Das für den Menschen bedeutungsvolle »Bindungshormon« Oxytozin spielt auch in der Hundephysiologie eine Rolle.
Es führen quasi zwei mit einander verflochtene, rote Fäden durch das Buch: zum einen die Geschichte des Zusammenlebens von Menschen und Hunden und zum anderen die Entwicklung genetischer Untersuchungsmethoden dazu. Indem er verschiedene Schreibstile miteinander kombiniert, versucht Sykes, den wissenschaftlich komplexen Stoff aufzulockern. Obwohl er die anspruchsvollen Methoden möglichst verständlich darstellen will, gelingt ihm das nicht immer, und er verliert sich zu sehr in inhaltlichen Abstechern. Auch hätte das Buch sicher von mehr Bildern profitiert, um die große Vielfalt der Hunderassen stärker zu veranschaulichen. Insgesamt regt die Lektüre aber durchaus an und vermittelt viel interessantes Wissen.
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