»Das Bill-Gates-Problem«: Wohltätigkeit, Reichtum und Macht
Wenn Sie den Namen einer Person googeln, ist das Ergebnis in der Regel unspektakulär. Bei den meisten Menschen erscheint mindestens ein Social-Media-Profil, vielleicht aber auch ein Zeitungsartikel über eine Tätigkeit in einem Verein oder ein Bericht über ein Unternehmensjubiläum. Anders sieht es bei der Google-Suche nach bekannten Persönlichkeiten aus. Dort erscheinen allerlei Informationen zum (Privat-)Leben, zu ihren letzten Erfolgen oder auch Skandalen – bei den wenigsten ist das Bild ausschließlich positiv. Umso mehr überrascht, dass bei einer Recherche zu Bill Gates, dem berühmten Mitgründer des Softwareunternehmens Microsoft und einem der reichsten Menschen der Welt, kaum eine negative Schlagzeile zu lesen ist. Unter den ersten Links fand sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Rezension eine Nachricht darüber, dass die »Bill & Melinda Gates Foundation« einer Schweizer Forscherin drei Millionen Euro für ihre Arbeit zukommen lässt. Außerdem finden sich die zu erwartende Artikel nach dem Motto »Was Sie vom Gründer des teuersten Unternehmens der Welt über die Börse lernen können«. Erst relativ weit unten erschien ein Artikel, der kritischere Töne in der Überschrift anklingen ließ. Es handelte sich um eine Rezension des Buches, um das es auch hier gehen soll, »Das Bill-Gates-Problem« von Tim Schwab.
Der Enthüllungsjournalist aus Washington D.C. befasst sich darin vor allem mit der »Bill & Melinda Gates Foundation«, der milliardenschweren Stiftung, die das Ehepaar Gates ins Leben gerufen hat, um damit seiner Meinung nach förderungswürdige wohltätige Zwecke zu finanzieren. Die Gründung der Stiftung fiel in eine Zeit, in der Bill Gates‘ Ruf schwer gelitten hatte. Microsoft sah sich mit Monopolvorwürfen konfrontiert, und Bill Gates wurde nachgesagt, dass er ein cholerischer Geschäftsführer sei. Die Gründung der Stiftung konnte die öffentliche Meinung allerdings sehr schnell wieder ins Positive wenden.
Doch war diese Einschätzung korrekt? Tim Schwab vertritt die Ansicht, dass sich vielleicht die Außenwahrnehmung von Gates geändert habe, nicht aber der Gründer der Stiftung selbst. Die Logik, nach der die Stiftung agiere, sei dieselbe, die auch ihren Gründer bestimme: Bill Gates denke, er sei der Einzige, der wisse, was für die Menschheit richtig ist, und der qualifiziert sei, die großen Probleme zu lösen. Hier zeigt sich bereits eine der Grundfragen des Buchs von Schwab: Ist Bill Gates eine Person mit guten Absichten, die der Meinung ist, dass der Zweck die Mittel heilige? Oder ist er ein Machtmensch voller Kalkül, der etwa durch die Ausrottung von Polio versucht, etwas Bleibendes zu hinterlassen, das sich mit seinem Namen verbindet?
Tauscht die Stiftung Geld gegen Macht ein?
Was genau ist aber das Problem mit einer milliardenschweren Stiftung, die sich die Rettung der Menschheit auf die Fahne geschrieben hat? Das zentrale Problem liege, so der Autor, darin, dass die finanzielle Unterstützung der Stiftung immer an durchaus weitreichende Bedingungen geknüpft sei. Sie verlange etwa, politisch mitzuentscheiden, und tausche so – plump gesagt – Geld gegen Macht. Zudem übe sie nicht selten im Kontext der finanziellen Zuwendungen Zwang aus, so etwa beim Thema der Familienplanung. Die Stiftung gebe vor, Frauen in Ländern der Dritten Welt ermächtigen zu wollen, ihnen die Entscheidung über Verhütung und Schwangerschaft zu überlassen. Tatsächlich wende sie aber massiv Mittel dafür auf, die Kleinfamilie als Idealbild darzustellen, und fördere zusätzlich nur Verhütungsmittel wie Intrauterinpessare – auch »Spiralen« genannt –, die gleich mehrere Jahre lang wirken. Es drängt sich hier der Verdacht auf, dass man das Bevölkerungswachstum kontrollieren wolle. Zudem hinterlasse die Tatsache, dass sich die Stiftung mit Pharmakonzernen abstimme, die Produktion solcher (und nur solcher) Verhütungsmittel hochzufahren und diese dann günstig, weil subventioniert, in ärmeren Ländern anzubieten, einen unangenehmen Beigeschmack.
Es ist kein Zufall, dass sich hier Parallelen zur Kolonisierung des globalen Südens durch den Westen aufdrängen. Das Hauptproblem der Stiftung ist, folgt man Schwabs Darstellung, die Verstrickung von Reichtum und Macht. Tim Schwabs Ausführungen stützen sich auf jahrelange Recherchen, bei denen auch ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Stiftung sowie betroffene Forscher mitgewirkt haben, und benennen Machenschaften einer Stiftung, deren Intransparenz System zu haben scheint. Die 15 Kapitel des Buchs lesen sich flüssig. Der bissige Stil und bisweilen überzogene Vergleiche schaden der Glaubwürdigkeit der Darstellung allerdings hin und wieder. Trotzdem handelt es sich bei »Das Bill-Gates-Problem« um ein wichtiges Buch, das zeigt, wie elementar ein unabhängiger Journalismus für das Funktionieren einer liberalen Demokratie ist.
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