Wiederentdeckung des Hörbaren
Wir leben inmitten einer ständigen akustischen Umweltverschmutzung. Autokarawanen wälzen sich durch die Straßen, Baumaschinen dröhnen, Mobiltelefone klingeln, und die allgegenwärtige musikalische Einheits-Dauerberieselung stumpft unseren Hörsinn systematisch ab. Der permanente Lärm erzeugt einen Stress, der uns oft nicht bewusst wird, aber das Risiko erhöht, krank zu werden. Doch nicht nur wir selbst, auch unsere Mitbewohner auf diesem Planeten sind davon betroffen. So entsteht bei der Verankerung von Windkraftanlagen im Meeresgrund ein enormer Schallpegel: bis zu 250 Dezibel. Militärischer Sonar und fahrende Schiffe schädigen das Gehör von Tieren, mischen sich sich in die Frequenzen, mit denen Wale kommunizieren, und lassen diese mitunter gänzlich verstummen.
Trevor Cox, Professor für technische Akustik an der University of Salford in Manchester (England), plädiert im vorliegenden Buch dafür, dem Krach zu entfliehen, um die Stille und somit auch die Welt der Klänge wiederzuentdecken. Viele Schönheiten erschlössen sich uns nur, wenn wir in der Lage seien, unsere Ohren dafür zu öffnen. Bereits ein kurzer "Klangspaziergang" könne dabei helfen. Man müsse nichts weiter tun, als ein paar Stunden schweigend durch die Landschaft zu wandern und sich dabei auf deren Laute konzentrieren.
Nicht das leiseste Summen
In der Mojave-Wüste hat Cox die vollkommene Stille erlebt. Er hörte lediglich einen hohen leisen Ton, der nach einer Weile verebbte. Vielleicht sei es ein Tinnitus gewesen, vermutet der Autor, vielleicht auch ein eingebildetes "Leerlaufgeräusch" seines Gehirns. Ein anderes Mal suchte er einen "Floating-Tank" auf, eine abgeschlossene dunkle Isolationskammer, in der man fast ohne Außenreiz in stark salzhaltigem Wasser treibt. Auch dort hörte er lediglich Geräusche seines Körpers: ein hochfrequentes Fiepen und einen tiefen, pulsierenden Laut.
Cox beschreibt in seinem Buch zudem skurrile akustische Phänomene. Unter anderem hat er das Gebäude mit dem längsten Nachhall der Welt besucht. Es befindet sich in Schottland und ist ein 240 Meter langer Tank, der einst zur Lagerung von knapp 26 Millionen Litern Öl diente.
Der Autor beantwortet, warum wir gewaltige Kathedralen errichten, um dem Göttlichen zu huldigen, welche Geräusche aus der Natur uns entspannen lassen und warum in römischen Theatern "das Gestein erklingt", wodurch Musik ästhetischer wirkt. Auch wie Echoortung funktioniert, legt er dar. Dabei erklärt er zahlreiche Begriffe aus der Akustik für Laien verständlich, ohne auf Formeln zurückzugreifen. Viele Grafiken und Fotos machen den Text anschaulich. "Das Buch der Klänge" schärft das Bewusstsein für die Welt der Akustik und lässt sich allen interessierten Lesern empfehlen.
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