Unheimliche Zukunft
Wer gerne populärwissenschaftliche Vorträge zu astronomischen Themen besucht, kennt die häufigsten Fragen der Zuhörer während der sich meist anschließenden Diskussionsrunde: Was passiert im Innern eines Schwarzen Lochs? Was war vor dem Urknall? Und auch: Was ist die Zukunft des Universums auf lange Sicht? Zu dieser letzten Frage legt nun die Astrophysikerin Katie Mack von der North Carolina State University in den USA ein sehr lesenswertes Buch vor. »Das Ende von allem« beschreibt, was die moderne Kosmologie über das Schicksal des Universums weiß – und was nicht.
Fünf verschiedene Apokalypsen
Katie Mack beginnt ihr Buch mit einer »Einführung in den Kosmos« und einem Kapitel zum Standardurknallmodell. Dann folgen fünf Kapitel, die jeweils einen anderen Tod des Universums beschreiben – so viele Grundszenarien kann sich die moderne Physik im Moment also vorstellen. Am Ende lässt sie schließlich einige aktive Kosmologen, Astro- und Teilchenphysiker zu Wort kommen, die beschreiben, was sie für das wahrscheinlichste der fünf Szenarien halten und wie die Forschergemeinde in den nächsten Jahren Fortschritte zu der Frage nach dem Ende von allem erzielen kann.
Eine Möglichkeit ist, dass sich der Schwung des Urknalls irgendwann durch die Schwerkraft der Masse im Universum abbremst, sich das Universum dann wieder zusammenzieht und so in einem »Big Crunch« endet, einem umgekehrten Urknall. Doch die Dunkle Energie könnte das Universum auch immer weiter und schneller aufblähen, so dass sich die Galaxien zunehmend voneinander isolieren. Letztendlich wächst die Entropie immer weiter, wodurch es kein Energiegefälle mehr gibt – das Universum ereilt ein stiller Tod. Die Dunkle Energie könnte aber noch brutaler sein und das Universum womöglich beschleunigt zerreißen, in einem »Big Rip«. Ebenso unheimlich ist Vorstellung, das Vakuum sei nicht in seinem teilchenphysikalisch energieärmsten Zustand, so dass sich die gesamte Physik jederzeit ändern könne, wenn es spontan zu einem so genannten Vakuumzerfall kommt. Die letzte Option schließt zahlreiche und womöglich wiederkehrende Universen ein, womit es zu »Urprällen« käme.
Die meisten Fachleute halten zurzeit die zweite Variante der ewigen Ausdehnung für am wahrscheinlichsten, doch die Frage ist keineswegs abschließend beantwortet. Was die Dunkle Energie eigentlich ist und wie sie wirkt, sind heiß diskutierte Themen. Ebenso streiten sich die beobachtenden Kosmologinnen und Kosmologen darüber, wie schnell sich das All genau ausbreitet. Macks Buch gibt dem Leser also einen Einblick in diese moderne Wissenschaft.
Leider geht es im Text etwas drunter und drüber. Schon im ersten Kapitel vermischt die Autorin die eigentlich versprochene Bestandsaufnahme darüber, wie das Universum beschaffen ist, mit ihrem eigenen Werdegang. In den folgenden Kapiteln gelingt es ihr nicht, die zahlreichen Befunde in einer klaren und aufeinander aufbauenden Reihenfolge zu aufzuarbeiten. Der Gedankenfluss wird immer wieder unterbrochen, um hier und da noch schnell etwas zu erklären. Beispielsweise wird die Hawking-Strahlung vor den Schwarzen Löchern, welche die Strahlung emittieren, thematisiert. Für Leserinnen und Leser mit entsprechendem Hintergrundwissen kein ernsthaftes Problem, aber man hätte es besser machen können. Ebenso ist es schade, dass die eigentlichen Beschreibungen der fünf Szenarien relativ kurz ausfallen. Zum Beispiel fehlt eine übersichtliche Darstellung der Zeitskalen für die einzelnen Ereignisse, um die Abfolge klar vor Augen zu haben. Die Geschichte seit dem Urknall bis heute hat die Autorin dagegen sehr klar präsentiert.
Macks Schreibstil ist betont locker. So finden sich hinter manchen Sätzen, die etwas Erstaunliches beschreiben, Einwortsätze wie »Cool« oder »Faszinierend«. Ob das den Text besser macht, sei dahingestellt. Wenn sie einmal etwas überspringen muss – und das muss man ja immer –, findet man beispielsweise diese Aussage: »Die Mathematik erspare ich Ihnen, aber ich versichere Ihnen, wenn Sie sie verstehen würden, wäre sie cool.« Das erzeugt nun wirklich kein Verständnis, sondern eher Skepsis gegenüber der Autorin auf Grund der durchschimmernden Arroganz.
Etwas kurios sind die Akronyme im Text, also die Abkürzungen, die Wissenschaftler immer gerne verwenden. Der Übersetzer Jens Hagestedt hat sich die Mühe gemacht, sie zu übersetzen. So steht KMH nicht für Kilometer pro Stunde, sondern den komischen Mikrowellenhintergrund. CMB für »Cosmic Microwave Background« wäre das international geläufige Kürzel gewesen. Und kommen Sie darauf, was GHS ist? Nicht Grund- und Hauptschule, sondern der Große Hadronen-Speicherring. Also der LHC beim CERN in Genf.
Es ist wie so oft: Die Idee für das Buch ist einleuchtend und deckt einen bislang wenig beschriebenen Aspekt ab. Bei der Ausführung hapert es aber. Wer sich daran nicht stört, bekommt eine kompetente Antwort auf eine der drängendsten Fragen der Kosmologie.
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