»Das Endorphin-Prinzip«: Alles in deinem Kopf
Über den Einfluss verschiedener Stoffe im Körper sind sich die meisten Menschen inzwischen im Klaren. Ob es sich um den Blutzucker handelt, der bei Diabetes eine Rolle spielt, oder um Testosteron, das (nicht nur bei Männern) dem Muskelaufbau zuträglich ist – in den Medien ist viel dazu zu lesen. Manche Moleküle haben sogar einen Spitznamen, man denke etwa an das »Kuschelhormon« Oxytocin. Von den Endorphinen, die im aktuellen Buch von Borwin Bandelow titelgebend sind, hört man ebenfalls immer wieder.
Viele dieser Darstellungen kommen aber wissenschaftlich dünn daher – oder sie sind so fachspezifisch, dass der Schritt von der Abstraktionsebene zum eigenen Leben schwerfällt. Bandelow hingegen gelingt es, Informationen wissenschaftlich untermauert und dennoch sehr unterhaltsam zu vermitteln. Der unter anderem aus Funk und Fernsehen bekannte Angstforscher und Lehrstuhlinhaber an der Universität Göttingen befasst sich auf rund 300 Seiten mit dem genannten körpereigenen Opiat.
Das Werk ist zweigeteilt. Der erste Teil beleuchtet das Belohnungssystem des Gehirns: wie es funktioniert, warum es im Lauf der Evolution entstanden ist und welche Rolle es in unserem Alltag spielt. Hierbei werden sowohl ältere Forschungsergebnisse wie eine berühmte Untersuchung von James Olds und Peter Milner aus den 1950er Jahren beschrieben als auch neuere Studien, von denen der Autor einige selbst durchgeführt hat. Der zweite Abschnitt befasst sich mit diversen Möglichkeiten, die neuronalen Belohnungsmechanismen zum eigenen Vorteil zu nutzen. Ein kurzer Epilog und ein Anhang mit einem Selbsttest (»Bin ich ein Endorphin-Junkie?«) sowie einem Rezept für »Glückskekse« komplettieren das Buch.
Von nützlichen und schädlichen Quellen möglichen Glücks
Das Buch ist nahezu in jedem Kapitel mit Tipps und Merksätzen bestückt, was ihm eine didaktische Form verleiht. So heißt es etwa auf Seite 45: »Glücksquellen sind austauschbar, tausche die schädlichen gegen nützliche.« Dieser Merksatz steht am Ende eines Absatzes, in dem der Autor mehrere teils fiktionale Biografien schildert. Es geht dabei um Menschen, die ihr Belohnungssystem »missbraucht« haben (etwa durch Heroinkonsum) und nun bessere Wege gefunden haben, Glücksgefühle zu erzeugen (zum Beispiel durch Sport). Überhaupt warnt Bandelow häufig vor den Gefahren des Belohnungssystems und ruft zum Maßhalten auf: Aus einer evolutionären Perspektive diente der neuronale Schaltkreis vor allem der Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung. Doch heute verleitet er uns leicht zu Abhängigkeiten und anderen schädlichen Verhaltensweisen.
Das Buch bietet eine abwechslungsreiche Sammlung von Anekdoten, Informationen und Handlungsrichtlinien. Es richtet sich vorrangig an Personen, die sich mit dem Thema »Endorphine« bisher nicht auseinandergesetzt haben. Interessierte Leser oder gar Menschen mit neurowissenschaftlichem Hintergrund werden also wenig Neues erfahren. Umso stärker ist das Buch in der Vermittlung der Grundlagen. Der gefällige Stil, die teils fiktionalen Geschichten, die als Verständnishilfe auftreten, und der Humor schaffen einen niedrigschwelligen Rahmen, in dem die Informationen gut zur Geltung kommen. Die Kürze der Kapitel und die Tatsache, dass diese nur lose aufeinander aufbauen, laden zum Schmökern ein.
»Das Endorphin-Prinzip« bildet eine perfekte Brücke von den oft mäßig ergiebigen Artikeln der nicht wissenschaftlichen Literatur zu faktenorientierten Sachbüchern und ist ein idealer Einstieg für Menschen, die wissen wollen, was es mit dem wunderbaren Gefühl »Glück« auf sich hat.
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