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Überlegene Maschinen

Können Maschinen intelligenter werden als Menschen? Können sie ihnen die Herrschaft über die Welt streitig machen? Was wäre, wenn eine global vernetzte Maschinenintelligenz erwacht? Hätte die Menschheit noch eine Zukunft – und wenn ja, in welcher Rolle? Um diese Fragen kreist der neue Thriller des Science-Fiction-Autors Andreas Brandhorst. Sein Szenario spielt in naher Zukunft: Die Digitalisierung ist vorangeschritten, das Internet der Dinge für Industrie und Privathaushalte selbstverständlich, ebenso wie selbstfahrende Elektroautos, elektrische Sicherheitsschlösser und weitgehende Kameraüberwachung.

In dieser Welt setzt der Hacker Axel Krohn versehentlich einen Computervirus frei, der innerhalb kürzester Zeit nahezu alle Prozessoren der Welt miteinander verknüpft. Der evolutionäre Algorithmus des Virus verbessert sich selbst. So entsteht ein künstliches Gehirn mit Computerchips als Neuronen, die über das Internet durch unzählige Synapsen miteinander verbunden sind. Und in diesem Gehirn erwacht ein Bewusstsein.

Kapitelnummern als Countdown

Obwohl das Thema komplex ist und einige Fachbegriffe nur computeraffinen Lesern geläufig sein dürften, schafft es Brandhorst von Anfang an, Spannung aufzubauen. Formale Details helfen dabei: Die Nummerierung der ersten Kapitel ist ein Countdown, beginnend bei minus neun. So wird dem Leser immer wieder bewusst, dass das Erwachen unvermeidlich ist und kurz bevorsteht.

Schon in diesen ersten Abschnitten schildert Brandhorst, wie globale Stromausfälle zu Chaos führen: Moderne Kommunikationsmittel funktionieren nicht mehr, Verkehrsleitsysteme fallen aus, die Geldautomaten geben keine Scheine heraus, Menschen bleiben hinter ihren elektronisch gesicherten Türen eingeschlossen und die Trinkwasserversorgung kollabiert, da kein Druck mehr auf den Leitungen ist. Bricht ein Brand aus, kann die Feuerwehr nicht mehr löschen, und die medizinische Versorgung muss auf ein Minimum reduziert werden.

Auch wenn die Digitalisierung in Brandhorsts Thriller bereits weiter fortgeschritten ist als in unserer Welt, machen die Schilderungen doch deutlich, wie abhängig wir bereits heute von Elektrizität, Mobilfunk und Internet sind. Ist es sinnvoll, auf diesem Weg immer weiter zu gehen, nur weil es praktisch und bequem ist? Ließe sich die Entwicklung überhaupt aufhalten? Diese Fragen tauchen immer wieder implizit auf. Doch obwohl die Handlung auf Schreckensszenarien fußt, die der technologische Fortschritt verursachen könnte, ist das Werk keinesfalls wissenschaftsfeindlich. Vielmehr gewinnt man beim Lesen die Ansicht, dass Wissenschaft und technologischer Fortschritt wichtig sind, um die menschliche Zivilisation zu erhalten und zu fördern. Allerdings müssen sie aufmerksam und kritisch begleitet werden.

Wissensexplosion der Maschinenintelligenz

Brandhorst lässt keinen Zweifel daran, dass er die beschriebenen Gefahren für real hält. Seinem Buch vorangestellt hat er Zitate unter anderem von Physiker Stephen Hawking, Apple-Mitgründer Steve Wozniak, Google-Entwickler Sergey Brin und Silicon-Valley-Investor Elon Musk. Sie alle warnen vor den Gefahren künstlicher Intelligenz (KI). Die Ergebnisse seiner eigenen umfangreichen Recherchen lässt Brandhorst von Computerexperten aussprechen, die er in die Handlung einwebt. Sie erklären den Charakteren den Unterschied zwischen KIs, wie wir sie schon heute kennen, und einer Maschinenintelligenz: Während erstere auf ein begrenztes Spezialgebiet festgelegt sind, ist eine Maschinenintelligenz dem Menschen in jeder Hinsicht überlegen, lernt und verbessert sich selbst. Ab einem gewissen Punkt, dem "Take-off", wächst ihr Wissen exponentiell und unaufhaltbar.

Diesen Take-off versuchen die Charaktere im Buch zu verhindern. Kann es gelingen, dass sich alle Mächtigen der Welt verbünden, um die Menschheit zu retten? Ist es vertretbar, Menschenleben zu opfern, um die Maschinenintelligenz zu besiegen? Und wäre die Welt eine schlechtere, würde sie nicht mehr von Menschen bestimmt? Zwischen Verfolgungsjagden und politischen Ränkespielen tauchen solche philosophischen Fragen immer wieder auf und regen die Leser dazu an, sich eigene Gedanken zu machen.

Nachdem Brandhorst die Handlung lange und gekonnt auf das Finale zugespitzt hat, kommt das Ende etwas plötzlich und im Vergleich zur gut durchdachten und in sich logischen Handlung ein wenig simpel daher. Dennoch ist das Buch äußerst lesenswert. Auf mehr als 700 Seiten bietet es Spannung, Informationen und Denkanstöße. Wie realistisch das Szenario tatsächlich ist, darüber dürften Expertenmeinungen auseinandergehen. Interessierte Leser können sich durch zusätzliche Recherchen ein eigenes Bild machen. Einige Literaturempfehlungen finden sich im Nachwort.

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