Welt der Krabbeltiere
Das vorliegende Werk ist Bildband und Sachbuch zugleich. Monique Berger, passionierte Naturfotografin, und Michel Gaudichon, langgedienter Biologielehrer, geben einen umfassenden Einblick in das Leben, die Entwicklung und den Körperbau der Insekten. Auch deren ökologische Bedeutung thematisieren sie. Da die Autoren dies alles anschaulich und leicht verständlich erklären und dabei fast vollständig ohne lateinische Artnamen auskommen, dürfte das Buch auch fachfremde beziehungsweise jüngere Leser ansprechen. Die rund 420 Farbfotos tragen dazu maßgeblich bei. Wer meint, nur tropische Kerbtiere könnten mit Farbenpracht und Formenvielfalt auftrumpfen, erlebt hier einige Überraschungen.
Zunächst erfahren wir einiges über den Bienen-Blumen-Komplex – allerdings auch, dass die emsigen Honigproduzenten beileibe nicht die einzigen Blütenbestäuber sind. Käfer, Schmetterlinge, Fliegen und viele weitere Insekten sind im Zuge der Evolution ebenfalls enge Beziehungen mit blütentragenden Pflanzen eingegangen. Wie es dazu kam und wie dieses beiderseits ertragreiche Verhältnis im Detail funktioniert, schildern die Autoren umfassend anhand zahlreicher Nahaufnahmen von Blütenbesuchen. Die teils recht wolkigen Formulierungen mögen der Übersetzung geschuldet oder auch schon im Original vorhanden sein; jedenfalls merkt man deutlich, dass das Buch in Frankreich entstanden ist. Etliche Passagen dürften frankophilen Lesern Vergnügen bereiten, die anderen aber ein wenig ratlos zurücklassen.
Viel zu sehen
Der Fokus des Werks liegt zweifellos auf der farbintensiven Bebilderung. Es sind ausschließlich heimische Insekten dargestellt, und zwar oft in Situationen, die dem Untertitel "Luftakrobaten und Kletterkünstler in unseren Gärten" alle Ehre machen. Zusätzlich versorgen uns die Autoren mit wohldosierten und aufschlussreichen Infografiken, wann immer ein Sachverhalt nicht direkt aus Bild oder Text ersichtlich ist und zusätzlicher Klärungsbedarf besteht. Wie beispielsweise das Kopplungssystem von Vorder- und Hinterflügeln bei den Hautflüglern funktioniert, begreift man mithilfe einer Schemazeichnung besser als anhand einer halben Textseite.
Gut nachvollziehbar zeigen die Autoren biologische Grundprinzipien der extrem artenreichen und diversifizierten Insekten auf, ohne dabei allzu sehr ins Detail zu gehen. Mithilfe des generellen Bauplans dieser Tierklasse (Kopf, Brust, Hinterleib, drei Beinpaare und meist zwei Flügelpaare) lässt sich ein Insekt fast immer sofort als solches identifizieren – und von seinen nahen Verwandten, den Spinnenartigen, unterscheiden. Zahlreiche Fotos veranschaulichen das Erklärte. So wird das Prinzip, wonach die Form der Funktion folgt, anhand der Angepasstheit verschiedener Insektenbeine an die jeweilige Umwelt deutlich. Die stark verlängerten Mittel- und Hinterbeine etwa, mit denen sich Wasserläufer auf der Wasseroberfläche halten, oder die zu Fangarmen umgestalteten Vorderextremitäten der Gottesanbeterin sind nur zwei Beispiele dafür.
Hin und wieder wechseln die Themen innerhalb einzelner Kapitel etwas sprunghaft. Dennoch leisten Berger und Gaudichon einen wichtigen Beitrag dazu, die große Relevanz der Insekten in verschiedenen Ökosystemen aufzuzeigen. Durch die Verbindung von Ästhetik und Nutzen tragen Bücher wie "Das geheime Leben der Insekten" zu einem positiveren Image der Kerbtiere bei und schaffen ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, diese zu schützen.
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