Wider die Glücksideologie
Die in Jerusalem lehrende Soziologin Eva Illouz und der spanische Psychologe Edgar Cabanas gehen mit der psychologischen Glücksforschung hart ins Gericht. Denn deren Vertreter propagierten ein fragwürdiges Kredo: Wer mies drauf sei, habe nur noch nicht verstanden, wie man es richtig mache, habe noch nicht die passende mentale Einstellung, um in allem das Gute zu sehen und negative Gefühle zu kontrollieren. Aber, so die Autoren, das sei nicht nur ein viel zu hoher Anspruch, es werde unserer Lebensrealität auch in keiner Weise gerecht.
Ablenkung von realen Missständen
Während frühere Abrechnungen mit dem Kult um die Positive Psychologie, etwa Barbara Ehrenreichs Buch »Smile or die«, allein deren Erfolgschancen anzweifelten, betreiben Illouz und Cabanas regelrechte Ideologiekritik. Das Gerede vom Wohlbefinden als Inbegriff eines guten Lebens kaschiere Ungerechtigkeit, lenke von sozialen Missständen ab und sei letztlich eine Masche, mit der selbst ernannte Experten Geld verdienen. Etwa Martin Seligman, der seinen Vorsitz bei der US-amerikanischen Psychologenvereinigung vor rund 20 Jahren schamlos ausgenutzt habe, um seine Idee einer Positiven Psychologie zu bewerben und mit Bestellern wie »Pessimisten küsst man nicht« Kasse zu machen. Die seither nicht nur in den USA prosperierende Glücksbranche scheitert allerdings an ihren eigenen Versprechen, weil Glück ein Kontrastempfinden ist. Es gibt kein andauerndes Hochgefühl, denn es nutzt sich rasch ab. Zudem gelte es sich daran zu erinnern, dass Frustration, Angst, Trauer und Wut wichtige Antriebe darstellen. Statt nach Glück, so Illouz und Cabanas, sollten wir nach Erkenntnis und Gerechtigkeit streben, denn sie seien die entscheidenden Werte, der »moralische Sinn unseres Lebens«.
Leider weichen die Autoren sprachlich oft ins subjektlose Passiv oder in »Man«-Phrasen aus, so dass ihr Buch stellenweise den abstrakten Duktus einer Seminararbeit annimmt. Zudem schütten sie häufig das Kind mit dem Bade aus. Das private Glücksempfinden ist sicher kein allein selig machender Maßstab, doch ganz unerheblich ist es deshalb auch nicht. Zwar kann der Fokus auf das eigene Befinden manche Nöte verstärken, statt sie zu lindern, und die Verantwortung für das Glück der Menschen lässt sich nicht dem Einzelnen allein aufbürden. Doch nur weil die Positive Psychologie etwa strukturell bedingte Ungerechtigkeit ausblendet, ist das Individuum nicht irrelevant.
Illouz und Cabanas wollen nicht sorgsam abwägen, sondern aufrütteln. Sie rufen dazu auf, sich der Gehirnwäsche der ewig Gutgelaunten, die jede negative Emotion als ungesund oder gar pathologisch betrachten, zu widersetzen. So endet ihre Streitschrift mit der ironischen Schlussnote: »Unser Dank geht an alle, die das Streben nach positiven Gefühlen und Glück zu einem nutzlosen Unterfangen machen.«
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