Gelobter Schlummer
»Nur keine Hemmungen, nicken Sie beim Lesen getrost nach Belieben ein. Ich nehme Ihnen das keineswegs übel. Im Gegenteil, es würde mich sehr freuen!« Solch einen Wunsch äußert ein Autor wohl nur, wenn er zugleich leidenschaftlicher Schlafforscher ist. Und tatsächlich steigt beim Lesen die Lust auf ein Nickerchen. Denn Matthew Walker findet deutliche Worte, um die Folgen des Schlafmangels auf den Punkt zu bringen: »Je kürzer man schläft, desto kürzer lebt man.«
Der Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California kritisiert, dass Schlaf in Industrienationen als notwendiges Übel angesehen werde. Die Weltgesundheitsorganisation spreche bereits von einer Epidemie des Schlafmangels. Viele Menschen meinen, mit deutlich weniger als acht Stunden Schlaf voll leistungsfähig zu sein. Ein Trugschluss, wie Walker in einigen seiner Studien zeigen konnte.
Übernächtigt am Steuer
Bereits eine Nacht mit zu wenig Schlaf führt zu gesundheitlichen Problemen wie erhöhtem Blutdruck, wie der Autor betont. Dauerhafter Schlafmangel begünstige sogar Krankheiten wie Krebs und Alzheimer, erhöhe das Risiko schwerer Verkehrsunfälle und mindere die Leistungsfähigkeit.
Wie hat sich Schlaf entwickelt? Warum träumen wir? Mit bildlichen und oft amüsanten Vergleichen erklärt Walker leicht verständlich die komplexen biologischen Vorgänge hinter diesen Fragen. Mit persönlichen Anekdoten reichert er sein Sachbuch an. Hilfreich ist das Register, in dem sich Begriffe schnell nachgeschlagen lassen. Das Buch liefert eine gute Übersicht zum Thema Schlaf, allerdings haben es Leser schwer, die tiefer ins Thema einsteigen möchten. Denn Walker beschreibt zwar viele interessante Studien, liefert aber nur zu wenigen einen Quellennachweis.
Der Schreibstil wiederum ist gut nachvollziehbar. Fachwörter erklärt der Autor, Studien ordnet er auch für Laien verständlich ein. Überraschenderweise empfiehlt er zur Verbesserung des Schlafs, komplett auf Koffein zu verzichten. Um dies zu unterstreichen, beschreibt er eine NASA-Studie an Spinnen. Nachdem die Tiere Koffein erhalten hatten, konnten sie kein Netz mehr bauen. Das mag zwar eindrucksvoll zeigen, wie sehr die Achtbeiner von dieser Substanz beeinträchtigt werden können, ist aber nicht direkt auf den Menschen übertragbar. Hier wären fundierte Tipps zum Umgang mit Koffein seitens des Autors hilfreich gewesen, denn ein kompletter Verzicht darauf dürfte für die meisten Leser kaum umsetzbar sein.
Zum Schluss gibt Walker verschiedene Empfehlungen dazu, was die Gesellschaft tun sollte, um Schlafproblemen entgegenzuwirken. Er fordert mehr Aufklärung und gesellschaftliche Veränderungen, etwa einen späteren Schulbeginn für Kinder. Technische Hilfsmittel wie Lampen mit veränderbaren Lichtspektren oder Tracker, die den Schlaf aufzeichnen, können seiner Ansicht nach vielen Menschen zu einem besseren Schlaf verhelfen. Zwölf konkrete Tipps am Ende des Werks sollen den Lesern sofort helfen, ihren Schlummer zu verbessern. Dazu gehören leicht umsetzbare Dinge wie ein heißes Bad vorm Zubettgehen oder ein dunkles, kühles Schlafzimmer. Das Buch entlässt die Leser mit vielen Denkanstößen und dem Gefühl eines besseren Bewusstseins für das Thema.
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