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Unbekannte Tiefsee

Von Yeti-Krabben, leuchtenden Medusen und anderen Geheimnissen des Meeres.

Wenn Roboter auf dem Mond oder dem Mars herumfahren, sorgt das überall für Erstaunen. Aus dem Blick gerät dabei, dass es ähnlich unerforschte und unwirtliche Orte auch auf der Erde gibt. Insgesamt zwölf Astronauten haben schon den Erdtrabanten bereist, aber zum 11 000 Meter tiefen Grund des Marianengrabens im Westpazifik sind gerade einmal drei Menschen hinabgetaucht.

Der Ozeanologe Alex Rogers schildert in diesem Buch, wie er als Kind an der Küste auf Entdeckungsreise ging und seine Liebe zum Meer geweckt wurde. Er erzählt von seinen späteren Forschungsfahrten, den Lebewesen in der Tiefsee und seiner Arbeit als Gutachter, um diese Meereswelten zu schützen.

Krebstiere mit Pelz

Der lang gehegte Irrglaube, in der Tiefsee gäbe es kaum Leben, ist heute widerlegt. Auch Rogers entdeckt auf seinen Forschungsfahrten immer wieder neue staunenswerte Tiere. So schildert der Meeresbiologe überaus spannend, wie er dort zum ersten Mal weiß-graue Krebstiere entdeckte. Er fand sie, in mehreren Lagen übereinandergestapelt, in der Nähe heißer Tiefseequellen. Die Gliederfüßer leben in Symbiose mit Bakterien, die in dem dunklen, heißen und sauerstoffarmen Wasser bestimmte Nährstoffe produzieren. Die Mikroben sitzen in dem dichten Pelz der Tiere, von wo die Gliederfüßer sie mit ihren Scheren herauskämmen.

Wegen des Pelzbewuchses auf der Vorderseite der Krebstiere nennt man diese manchmal Hoff-Krabben, in Anspielung an die gut behaarte Brust des Schauspielers David Hasselhoff. Ihr wissenschaftlicher Name lautet Kiwa tyleri. Hasselhoff nahm es gelassen und machte die Wesen per Twitter seinen Fans bekannt. Über solche Art der Werbung freut sich auch der Autor. Rogers' Hoffnung: Je mehr Menschen von den Lebewesen der Tiefsee wissen, umso mehr engagieren sich auch für deren Schutz. Lobbyisten, schreibt er, würden die Tiefsee oft zur weitgehend toten Welt erklären, weil sie die dort vorhandenen Rohstoffe ernten wollen, etwa Manganknollen, seltene Erden oder Öl.

Der deutsche Titel des Buchs ist etwas irreführend, denn es handelt sich weniger um ein Biologiebuch über exotische Tiere als vielmehr um den fachlich fundierten, aber erzählerischen Bericht eines Ozeanologen über seine Arbeit und seinen Wunsch, das Leben in der Tiefsee zu bewahren. Das gibt der Titel des englischen Originals besser wieder: »The Deep – The Hidden Wonders of Our Oceans and How We Can Protect Them«.

Rogers geht unter anderem auf den Granatbarsch (Hoplostethus atlanticus) ein. Der Tiefseebewohner kann bis zu 150 Jahre alt werden, landet aber in wohlhabenden Ländern seit einiger Zeit vermehrt auf dem Teller. Als bekannt wurde, wo sich die hellroten Tiere zum Laichen versammeln, wurden die Bestände in kurzer Zeit fast vollständig abgefischt – und dass, obwohl Tiefseefische oft langsam wachsen, nur selten laichen und manchmal erst mit 40 Jahren geschlechtsreif werden. »Rotes Gold« nannten ihn die Fischer, da seine exzessive Bejagung in kurzer Zeit reiche Erträge einbrachte.

An den Fanggründen eines anderen Tiefseefisches aus der Familie der Panzerköpfe fanden sich einmal 78 Trawler ein und konnten pro Sekunde bis zu eine Tonne herausfischen. Sie machten so viel Beute, dass die Verarbeitungsanlagen nicht mitkamen und die Tiere lastwagenweise auf der Mülldeponie landeten. Viel schlimmer noch waren die Verwüstungen am Meeresgrund, die Rogers anschließend in Augenschein nahm. Die Trawler hatten mit ihren Grundschleppnetzen die Kaltwasserkorallenriffe zerstört.

Forschern wie dem Autor bleibt häufig nur noch, die ökologischen Zerstörungen zu dokumentieren. Derzeit, schreibt er, vernichten Fischerei und Rohstoffjagd das Leben in der Tiefsee schneller, als Wissenschaftler es erkunden können. Das sei so, merkt Rogers an, als würden wir an Land einen Wald roden, um einen Hirsch zu fangen.

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