»Das kleine Buch der großen Risiken«: Ob Jüngstes Gericht oder Ufos: zu Risiken und ihrer Relevanz
Das Leben endet meistens tödlich. Wer mit dieser Einstellung unterwegs ist, ist gut gerüstet für »Das kleine Buch der großen Risiken« von Jakob Thomä. »Von Atombombe bis Zombieapokalypse« lautet der Untertitel, und er lässt erahnen: Dieses Buch will nicht nur informieren, sondern auch unterhalten.
Das Inhaltsverzeichnis mit den 26 Kapiteln präsentiert ein ziemlich wildes Potpourri an Themen. Technologien wie Geoengineering, künstliche Intelligenz oder Nanotechnologie stehen neben Phänomenen wie dem Klimawandel oder einem Planetoideneinschlag. Dazwischen finden sich aus wissenschaftlicher Sicht eher fragwürdige Risiken wie das Jüngste Gericht, Ufos oder Zombies. Außerdem klingt manches redundant – etwa »Klimawandel« und »Kollaps der Ozeanströmungen« oder auch »Atombomben« und »Massenvernichtungswaffen«. Andere – realitätsnahe – große Risiken wie neue Pandemien, Umweltgifte oder der westliche Lebensstil fehlen hingegen.
Sechs bis zehn Seiten hat jedes der Kapitel, die stets dem gleichen Muster folgen: Zunächst formuliert der Autor das (mutmaßliche) Risiko, gefolgt von einer kurzen Bewertung. Anschließend führt er das Thema weiter aus – und das gelingt nicht immer überzeugend, wie bereits das erste Kapitel zeigt.
Unter dem Stichwort »Atombombe« gibt Thomä einen kurzen und informativen Einblick in die frühere – heute als unbegründet geltende – Sorge, eine Wasserstoffbombe könnte die Atmosphäre entzünden. Dann schreibt er über einen möglichen Atombombenkrieg und behauptet, dass ein solcher in den nächsten 1000 Jahren durchaus wahrscheinlich sei, um nur wenige Sätze später zu konstatieren: »Es lässt sich vernünftigerweise annehmen, dass bestimmte Kräfte einschreiten würden, bevor es zu einer derartigen Eskalation käme.« Noch ein paar Sätze später heißt es dann: »Wollen wir uns jedoch wirklich auf die Vernunft der Menschen verlassen?« Im Widerspruch zur Kapitelüberschrift wird dann auch die zivile Nutzung der Kernenergie thematisiert. Hier zeigt sich der Autor als Opfer der Fusions-PR, denn für ihn könnte die Kernfusion »fast von ganz allein die drohende Klimakatastrophe abwenden« oder auch »zu sehr, sehr, sehr geringen Kosten die Versorgung von Heizungen, Beleuchtung, Mobilität und vielem mehr sichern«.
Geoengineering, Cyberkriminalität und Zombies
Thomä sagt über seine Motivation zu diesem Buch, es solle dazu beitragen, dass Risiken realistisch eingeschätzt werden. In der Einleitung zu den »Cyberrisiken« schreibt er etwa: »Muss ich mir Sorgen machen? – Nein. Aber das heißt nicht, dass das Internet kein übler Ort ist.« Wie das zu den kurz danach benannten 50 Millionen Opfern von Cyberkriminalität passt – nur in den USA und innerhalb von sechs Monaten –, bleibt Thomäs Geheimnis. Zudem mutet es trotz der hehren Motivation des Autors seltsam an, in einem »Kleinen Buch der großen Risiken« auch Themen aufgeführt zu finden, die tatsächlich eher winzige Risiken sind.
Nicht jedes Kapitel ist qualitativ so durchwachsen. Zum Sonnensturm etwa finden sich umfassende und stimmige Informationen, ebenso zum Geoengineering. Bei Letzterem wirft der Autor sogar einen Blick über den Tellerrand: »Man mag sich also globale Klimakriege zwischen Saudi-Arabien und Russland ausmalen, in denen das eine Land einen Temperaturrückgang von drei Grad Celsius provozieren will, um entspannte mediterrane Temperaturen zu genießen, und das andere Land vielleicht eine Erhöhung um plus drei Grad Celsius optimal fände, um die sibirische Tundra in ein Paradies zu verwandeln.« Doch selbst dort, wo die Erläuterung des Risikos solide ist, bleibt die Schwierigkeit, komplexe Themen auf sechs Buchseiten abzuhandeln – die Ausführungen zur Artenkrise sind ein Beispiel dafür, dass dies mitunter sinnvoll kaum möglich ist.
Der Verlag bezeichnet Thomä als Risikoforscher. Zutreffender wäre vermutlich, ihn als Unternehmer, Ökonomen oder auch Nachhaltigkeitsexperten zu charakterisieren. Vielleicht erklärt das, warum »Das kleine Buch der großen Risiken« nicht unbedingt wie ein Sachbuch anmutet, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Man hat vielmehr den Eindruck, dass der Autor an den Stil von »Der Kill-Score« anknüpft – ein im Ton recht dramatisches Buch zu den Folgen fehlender Nachhaltigkeit.
Wer dieses Buch eher als Essay liest, kann darin gute Unterhaltung finden. Immerhin bietet es eine ganze Reihe von interessanten Fakten, Pro-und-Kontra-Abwägungen und einen lockeren, humorvollen Stil. Insbesondere die eher abwegig anmutenden Risiken wie das Jüngste Gericht oder Ufos bieten Lesevergnügen. Und wer verstehen möchte, weshalb der Autor die Frage, ob die Sorge vor Zombies berechtigt ist, mit einem klaren Ja beantwortet, der muss das Buch schon selbst lesen. Als Inspiration für lebhafte Party- oder Stammtischgespräche taugt es allemal.
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