»Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter«: Ein Perspektivwechsel für das Klima
Wenn von Klimawandel und globaler Erwärmung die Rede ist, kommt man unweigerlich zum »Zwei-Grad-Ziel«, das der Weltklimarat der Vereinten Nationen formuliert hat. Diese Grenze markiert die Schwelle zur »Gefährlichkeit« des Klimawandels – auch wenn bei geringerer Erwärmung der Erdoberfläche nachhaltige Veränderungen eintreten. Dieser Richtwert ergab sich aus naturwissenschaftlichen Untersuchungen. Doch um die Tragweite des Klimawandels überhaupt verstehen zu können, muss man auch andere Disziplinen heranziehen, betont der indische Historiker Dipesh Chakrabarty in seinem Buch »Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter«.
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass wir unsere Zeit aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten müssen: der planetarischen und der globalen. Letztere betrachte die Welt vom Menschen aus, während die planetarische vom Menschen losgelöste Phänomene beschreibe. So abstrakt und komplex diese Herangehensweise zunächst erscheinen mag, so eindrücklich vermitteltet der Historiker die unterschiedlichen Blickwinkel.
Ein manchmal gegenläufiger Zugang
Auf mehr als 400 Seiten zieht er hierbei geschichtliche, soziale, naturwissenschaftliche und philosophische Ideen heran. Eindrücklich trägt Chakrabarty Erkenntnisse und Überlegungen verschiedener Personen zusammen und verdeutlicht den unterschiedlichen und manchmal gegenläufigen Zugang der Disziplinen. So ist die Betrachtung des Menschen unter dem Pauschalbegriff Spezies für Biologinnen und Biologen völlig klar, für die Philosophie und/oder Geisteswissenschaften jedoch nicht.
Auch Fragen der Gerechtigkeit behandelt der Autor, denn die gesamten Emissionen wurden größtenteils von westlichen Industriestaaten verursacht, dennoch wirken sie sich auf alle Menschen aus. Dieses Dilemma verdeutlicht Chakrabarty anhand eines Beispiels zum Besitz von Klimaanlagen in den USA und Indien. Obwohl in Delhi bis zum Ende des Jahrhunderts an durchschnittlich 75 Tagen im Jahr mehr als 35 Grad Celsius herrschen werden, was für die Bevölkerung eine enorme Belastung darstellt, verfügen nur etwa fünf Prozent der indischen Haushalte über eine Klimaanlage, während es in den USA 87 Prozent sind.
Die Frage der Klimagerechtigkeit enthält auch einen Generationenkonflikt, denn jene Menschen, die künftig am meisten unter den veränderten Lebensbedingungen leiden werden, haben am wenigsten – oder gar nichts – dazu beigetragen. Und dennoch erfordert die Klimakrise eine gemeinsame Lösung aller Menschen, als einer Spezies.
Hierbei gibt der Autor zu bedenken, dass der Klimawandel auch ein politisches Problem ist, die Lösung fordert alle politischen Institutionen sowie unsere Fantasie stark heraus. Verkompliziert werde das Problem durch verschiedene Zeithorizonte, auf denen unser Handeln Konsequenzen hat. Es sind eigentlich drei Zeitebenen, auf denen der Mensch agiert: die Geschichte des Planeten, die Geschichte des Lebens und die Geschichte der industriellen Zivilisation – und alle laufen mit verschiedenem Tempo ab.
Das Buch ist als Reise zwischen Disziplinen, Betrachtungsweisen und Zeitrechnungen nicht einfach zu verdauen. Dennoch ist es hochinteressant, wenn man sich die Zeit nimmt und sich darauf einlässt.
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