Milchtrunken und wissbegierig
»Es ist kein Elternratgeber voller Empfehlungen und Warnungen. Es geht vielmehr um die Wissenschaft, ein Baby zu sein.« Mit dieser Aussage fasst der Autor Caspar Addyman den Inhalt des Buchs gut zusammen. Denn der Mathematiker, Psychologe und Direktor des Infant Lab des Goldsmiths College der University London erklärt viel mehr als nur die Frage, was Babys glücklich macht.
Was ist ein Streichelneuron? Warum sind Babys so neugierig? Wie lernen Babys sprechen, und warum schläft der Mensch überhaupt? Addyman erklärt alle Fragestellungen sehr ausführlich und kompetent. Dabei geht er interdisziplinär vor: So diskutiert er etwa, ob bereits Föten im Mutterleib zufrieden sein können und Glück spüren, oder, wie Glück philosophisch definiert wird. Dabei belegt er seine Aussagen mit Studien und einem großen Quellenverzeichnis.
Dem Autor gelingt es, mit Witz und Anekdoten aus seinem eigenen Leben auch schwierige Themen leicht verständlich und amüsant zu erklären. Er beschreibt unter anderem die neurobiologischen Hintergründe davon, warum Babys lachen, wenn sie gekitzelt werden, und diskutiert die Frage, ob es ethisch überhaupt vertretbar ist, sie zu kitzeln. Schließlich nutzten beispielsweise die Römer Kitzeln als Foltermethode. Durch eine befreundete Domina ließ er sich schließlich selbst kitzeln, um festzustellen, wie unangenehm das sein kann.
Suche nach einem Lied, das Babys glücklich macht
Besonders spannend sind die Ausführungen zu seiner eigenen Forschung. Addyman untersucht unter anderem, wie Musik auf Babys wirkt. Eines seiner Ziele war es, ein Lied zu komponieren, das Babys glücklich macht. Entstanden ist The Happy Song, den er zusammen mit der erfolgreichen Musikerin Imogen Heap komponierte. Das Lied war nicht nur kommerziell sehr erfolgreich, sondern brachte Babys in Experimenten tatsächlich häufiger zum Lächeln.
Hilfreich wäre eine Definition im Buch gewesen, bis zu welchem Alter der Psychologe Kinder zu Babys zählt. In vielen Studien bezeichnet er Zweijährige noch so. Das ist irritierend, da man ab dem zweiten Lebensjahr nach gängiger Definition von Kleinkinder spricht.
Das eigene Kind besser verstehen
Immer wieder gibt er interessante Buchtipps oder verweist auf witzige Youtube-Videos oder Instagram-Stories. Etwa auf den Hashtag #Milkdrunk, der Fotos von Babys zeigt, die »ganz betrunken« und zufrieden von Muttermilch sind. Solche Verweise nutzt er geschickt als lockeren Einstieg in wissenschaftliche Themen. In diesem Fall in die biologischen Prozesse des Stillens.
Auch wenn dieses Sachbuch kein Ratgeber ist, hilft es Eltern dabei, ihr Baby besser zu verstehen. Auf Grund seiner vielschichtigen und amüsanten Art ist es aber keineswegs nur für Eltern spannend. Es liefert viel breiter gefächerte Inhalte, als der Titel vermuten lässt. Dabei reißt Addyman die Leserschaft mit – und steckt mit seiner Leidenschaft für die Wissenschaft von glücklichen Babys an.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.