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»Das Leben ist hart«: Von Ratgebern und Steinen

Dürfen wir uns Sisyphos, wie Albert Camus es vorschlägt, wirklich als glücklichen Menschen vorstellen? Kieran Setiya erklärt, wie die Philosophie helfen kann, mit Negativem in der Welt umzugehen. Seine Grundhaltung ist nachvollziehbar, seine Argumentation nicht immer.
Mann steht mit Handy am Ohr knietief im Wasser vor seinem Auto nach der Flutkatastrophe.

»Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.« So endet der berühmte Essay »Der Mythos des Sisyphos« des französischen Philosophen Albert Camus (1913–1960), in dem er den Umgang mit dem von ihm so genannten Absurden beleuchtet. Das Absurde ist – kurz und keineswegs erschöpfend zusammengefasst – die Diskrepanz zwischen dem Wunsch des Menschen nach dem Guten, nach einem Sinn, und der lebensweltlichen Realität, die beides oft vermissen lässt. Das Konzept umfasst somit konkrete negative Ereignisse ebenso wie abstrakte Gefühle der Sinnlosigkeit des Seins. Nach Camus ist die einzige Möglichkeit, damit umzugehen, die »Revolte«. Dieser Begriff bezeichnet eine geistige Haltung, die Trost und sogar Glück daraus bezieht, dass in der eigenen Entscheidung, das Gegebene hinzunehmen, Freiheit steckt.

Camus ist nicht der erste und sicher auch nicht der letzte Autor, der in der Philosophie nach einer Lösung für den Umgang mit dem Schlechten in der Welt sucht. Die Bandbreite reicht von Texten, die das Denken des Westens nachhaltig geprägt haben (etwa der genannte Aufsatz von Camus), bis hin zu flachen Ratgebern nach dem Motto »Glücklich werden mit antikem Stoizismus«. Wo sortiert sich in dieser Reihe »Das Leben ist hart« von Kieran Setiya ein? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Der Autor, der am Massachusetts Institute of Technology Philosophie lehrt, geht davon aus, dass ein optimales Leben nicht erreichbar ist und blinder Optimismus Negatives nur ausblendet. Er hemme so das Empfinden von Mitleid und den Willen zur Veränderung, die aber beide nötig seien, um das eigene Leben zu verbessern. Schon hier drängt sich der Eindruck auf, ein sehr amerikanisches Buch vor sich zu haben. Denn es stellt sich explizit gegen die gerade dort so verbreitete Ratgeberliteratur, die optimistisches Denken häufig als alternativlos darstellt und damit aus philosophischer Sicht oberflächlich bleibt.

Glücklich in der Matrix?

Im Kern geht es dem Autor darum zu vermitteln, dass Leid zugelassen werden muss, um Wachstum und Verbesserung zu ermöglichen. Diese einleuchtenden Gedanken werden allerdings von Prämissen aus entwickelt, die nicht immer ganz nachvollziehbar sind. So stellt Setiya die These auf, dass »Glücklichsein« und »ein gutes Leben führen« nicht identisch seien. Er begründet dies mit Verweis auf die Lage der Menschen im Sciencefiction-Klassiker »Matrix« (1999): Sie befinden sich in Behältern und dienen als Energiequellen, während ihr Bewusstsein in einer Simulation (der titelgebenden Matrix) lebt. Dort können sie theoretisch glücklich sein, nicht aber ein objektiv gutes Leben führen, denn ihre Umgebung und alles, was sie tun, ist simuliert, eine Lüge. Warum ein subjektiv glückliches Leben in einer Lüge weniger erstrebenswert sein soll als ein unglückliches Leben in der Realität, wird allerdings nicht schlüssig begründet.

Ein ähnliches Beispiel findet sich im letzten Kapitel, das durchaus interessante Einlassungen zum Konzept der Hoffnung enthält. Dort heißt es, dass – vorausgesetzt, es wäre technisch möglich – das Hochladen des eigenen Bewusstseins in einen Computer am Ende des natürlichen Lebens nicht dasselbe sei wie ewig zu leben, denn das Bewusstsein in der Maschine sei nicht man selbst. Wie schon im vorherigen Beispiel gibt es eine abstrakte Ebene, auf der diese Behauptung wahr ist: die ontologische Annahme des Leib-Seele-Dualismus. Doch fragt man sich unweigerlich, was denn nun auf praktischer Ebene einen Unterschied ausmachen solle, wenn tatsächlich alle Erinnerungen, alle Fähigkeiten und was uns sonst als Menschen ausmacht, transferiert werden. Es gibt durchaus Antworten auf solche Fragen, nur formuliert »Das Leben ist hart« sie nicht. Stattdessen mäandert die Argumentation immer wieder um ähnliche Begriffe und Zusammenhänge, welche die Bedeutung des Leids betonen, und bedient sich dabei – typisch postmodern – überall in der Philosophiegeschichte ein bisschen.

Das Buch liest sich flüssig, seine Struktur mit sieben Kapiteln, die verschiedene Erscheinungsformen von Leid in der Welt (Gebrechen, Einsamkeit, Ungerechtigkeit et cetera) zum Thema haben, ist sinnvoll. Es ehrt den Autor, dem willkürlich erscheinenden Leid Bedeutung zusprechen und ihm so einen Sinn geben zu wollen. Ob Ihnen dies dabei hilft, den Stein Tag für Tag glücklich den Berg hinaufzurollen, müssen Sie als Leserin oder Leser dieses Buchs selbst entscheiden.

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