»Das Medizin-Buch«: Die Genese der Medizin
Die Geschichte beginnt mit Skelett- und Werkzeugfunden sowie Felsmalereien, die bereits auf medizinische Praktiken in der Altsteinzeit hinweisen. Es ist zunächst eine Medizin im Kampf gegen böse Geister und Götterstrafen als Ursachen für Krankheit und Leid. Das Buch führt die Leserinnen und Leser durch die Zeiten der großen medizinischen Errungenschaften wie Impfungen, Antibiotika und Hygiene. Sie erfahren, wie nach und nach die Physiologie des menschlichen Körpers entdeckt wird. Und wo die moderne Medizin steht: bei Nanomedizin, Roboterchirurgie, Stammzellforschung und Pandemie.
Trotz der zahlreichen nennenswerten Erfolge verschweigt das Buch nicht die ungelösten Probleme: Krebs ist weiterhin eine der häufigsten Todesursachen, Alzheimer ist noch nicht endgültig erklärt, geschweige denn aufzuhalten, Spenderorgane sollen im Labor gezüchtet werden, und bei Krankheiten wie Aids scheint eine Impfstoffentwicklung weiterhin unmöglich.
Die sechs Autoren des Buches – allesamt keine Mediziner, sondern Wissenschaftsautoren, Biologen oder Historiker – beschreiben, wie sich die Medizin in den verschiedenen Ländern entwickelt hat. Sie stellen die Grundlagen des Ayurveda-Systems sowie die Traditionelle Chinesische Medizin vor und präsentieren die entscheidenden Vordenkerinnen und Vordenker für gewisse Länder, Epochen und Themen.
Chronologisch erzählt und kreativ gestaltet
In sechs Kapiteln führen die Autoren durch das Buch. Jedes ist noch einmal in Unterkapitel gegliedert, die jeweils ein Thema behandeln. Unter dem chronologischen Aufbau leidet jedoch an mancher Stelle die thematische Klarheit. Hier ließe sich die Lektüre erleichtern, zum Beispiel durch thematisch gruppierte Unterkapitel innerhalb der chronologischen Sortierung der Überkapitel. Nichtsdestotrotz sorgen die Autoren mit ausführlichem Inhaltsverzeichnis und Glossar sowie Querverweisen für ausreichend Orientierung.
Die Gestaltung des Buchs mit bunten Farben und modernen, kreativen Grafiken verspricht einen leichten Umgang mit den komplexen Inhalten. Im Inneren besticht es mit einer vielseitigen textlichen Aufarbeitung durch Timelines, Porträts der relevanten Persönlichkeiten, zeitgenössischen Abbildungen und Schaukästen mit näheren Erläuterungen. Der Fließtext selbst ist in kurze Absätze gegliedert, was den Lesefluss erleichtert und die Übersichtlichkeit erhöht. So ist das Buch weniger ein Lehrbuch der Medizingeschichte als vielmehr ein Buch voller spannender Anekdoten.
Heute ist klar: Um eine Krankheit zu heilen, muss ihre Wirkung auf den Körper und dieser damit selbst verstanden sein. Der erste bedeutende Anatom, Claudius Galenus von Pergamon , lernte im 1. Jahrhundert im Römischen Reich an verletzten Gladiatoren und Tiersektionen. Er prägte die Anatomie bis ins Mittelalter. Im 16. Jahrhundert korrigierte der flämische Arzt Andreas Vesalius nach und nach die Fehler Galens; er gilt als Begründer der modernen Anatomie. Mit neugierigen Blicken durch die ersten Mikroskope wurden dann im 17. Jahrhundert Strukturen sichtbar, die bis dahin verborgen geblieben waren. Die Mikroskopie und andere Techniken wie Röntgen, MRT und CT wurden entwickelt, um immer neue Einblicke in den Körper und seine Organe zu gewinnen.
Das Buch reicht bis ins Jahr 2020, das Jahr der Corona-Pandemie. Im Rückblick auf die bis hierhin erzählte Medizingeschichte wird deutlich, wie wertvoll die jahrhundertealten Entdeckungen auch heute für uns sind. Dennoch ist das immense Wissen immer noch begrenzt. Da die medizinische Forschung weiter auf Hochtouren läuft, hätte am Ende ein Blick in die Zukunft gleich als Aufhänger für eine Fortsetzung dienen können – auf jeden Fall aber wäre es ein runder Abschluss gewesen.
Auch wenn nicht alle Fachgebiete der Medizin ausreichend Platz finden, haben die Autoren eine umfassende und spannend aufbereitete Einführung in die Medizingeschichte abgeliefert. Lesens- und empfehlenswert für alle, die sich für die Medizin und die Menschen im Lauf der Geschichte interessieren.
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