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»Das unheimliche Element«: Ein Stoff mit Macht: Uran

Glasfärbemittel, Nuklearmedizin, Brennstoff für AKWs und Konflikte in Niger: die ganze Geschichte des Urans. Aber nicht immer präzise.
Ein Atomkraftwerk mit Kühltürmen in einer Flussbiegung

In Deutschland sind die Kernkraftwerke abgeschaltet. Uran, der Stoff, aus dem die Brennelemente bestehen, wird hier zu Lande eher nicht mehr benötigt. Welche Rolle Uran weltweit aber immer noch spielt, welche wirtschaftliche Bedeutung es hat und wozu es noch gebraucht wird, beschreibt Horst Hamm in seinem Buch.

Horst Hamm ist Umweltjournalist, hat als Projektleiter den Uranatlas 2022 erstellt und als Redakteur bei der Zeitschrift natur gearbeitet. Das Buch erscheint in der Reihe Stoffgeschichten, die Stoffe wie Heroin, Stickstoff, Sand oder Phosphor in den Mittelpunkt stellt und nicht ausschließlich die naturwissenschaftlichen Fakten darstellt, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen erörtert.

Hamm gelingt mit seinem Buch eine Gesamtansicht über diesen »Stoff mit Macht«. Denn Uran dient nicht nur als Brennstoff für die nukleare Energieerzeugung. Hamm schildert die Geschichte eines riskanten Stoffes, der einst zum Färben von Glas genutzt wurde und in der Diagnostik hilft. Er macht sehr schnell klar, dass er kein Fan von Atomkraft ist, und kritisiert deutlich die Entscheidung der EU, Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Ein großes Kapitel nimmt daher auch die Energiewende mit regenerativen Alternativen ein. Denn Uran ist alles andere als harmlos. Wie sich die Isotope unterscheiden, wie viel es jeweils von ihnen gibt, erklärt er, ebenso wie der radioaktive Zerfall stattfindet.

Er geht auf die schwierige Suche nach einem Endlager ein und führt den Ablauf aller bekannten großen Unfälle in Kernkraftwerken noch einmal vor Augen, die eben nicht nur in Tschernobyl und Fukushima stattfanden. Er berichtet über die zerstörerische militärische Nutzung, das Potenzial und geht auf einige der über 2000 Atombombentests und deren Folgen ein.

Hamm schreibt spannend, umfassend, bezieht Aktuelles mit ein, wie den Krieg in der Ukraine, und liefert viele oft auch unbekannte Informationen. So wurde das Uran für den Bau der ersten Atombombe der USA unter belgischer Kolonialherrschaft im Zwangsarbeiterlager der Shinkolobwe-Mine in Kongo abgebaut. Fotos von Minenarbeitern oder Grafiken, die zeigen, wo weltweit Uran gefördert wird, wo die Atombombentests stattfanden oder wo die Atommächte die Ozeane als Endlager missbrauchen, runden das Buch ab.

Aber an einigen Stellen stimmen die Fakten nicht. Denn der vermeintliche Entdecker hatte, wie Hamm fälschlicherweise schreibt, kein Uran isoliert, sondern Uranoxid entdeckt. Das dachte zwar Klaproth noch 1789, und so steht es in Wikipedia. Es ist aber trotzdem nicht richtig. Das Element isolierte erst der Chemiker Péligot 50 Jahre später. Und noch ein Nein: Nicht die Beobachtung von Klaproth, dass Uranoxid für eine grüne Farbe sorgt, führte dazu, dass Glasmanufakturen Färbemittel aus Uran herstellten und so Uran erstmals genutzt wurde. Das machten schon die Römer. Wer es nun erfunden hat oder erstmals nutzte, klingt vielleicht nach Haarspalterei, aber es gibt noch andere Stellen, die nicht korrekt sind. Auch in China, so Hamm, hätte sich der Wind gedreht und es würden keine neuen AKWs mehr geplant. Das ist entweder veraltetes Wissen oder Wunschdenken des Autors. Zwei neue Reaktoren wurden letztes Jahr in Betrieb genommen, 18 neue Reaktorblöcke verschiedener Typen werden zurzeit gebaut und getestet, darunter neben diversen DWR-Typen Hochtemperaturreaktoren, schnelle Brüter oder SMR. Im Januar 2023 plante China 47 neue AKWs, die in den nächsten zehn Jahren in Betrieb gehen sollen. Noch ärger ist das Kapitel zu den gesundheitlichen Folgen. Hamms Aufzählung führt fast alle möglichen Krankheiten auf, wie auch Alzheimer. Zudem fehlt auch eine Quellenangabe, wie sie die ausführliche Studie des BUND eine gewesen wäre (https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/20220927_BASK_Papier_Unsichbare_Opfer_der_Atomkraftnutzung.pdf). Einige Erkrankungen rühren sicher daher, dass Uran auch als Schwermetall wirkt. Doch selbst im Uranatlas finden sich nicht alle von ihm hier genannten. Und einige sind dort mit der Anmerkung versehen „Die Datenlage dazu ist dünn und wissenschaftlich nicht belastbar“, nur die zahlreichen Aussagen aus aller Welt machen einige Erkrankungen durch Uran hoch wahrscheinlich (https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/Uranatlas_2022_2.pdf).

Wer ein faktensicheres Buch erwartet, wird an einigen Stellen enttäuscht. Doch es ist eines der wenigen Bücher, die die unterschlagenen Gefahren für die Minenarbeiter und die Menschen, die in der Nähe der Abbaugebiete wohnen, aufzeigen. Meist sind es indigene Völker, die davon betroffen sind, doch in den Industrienationen ist wenig Aufmerksamkeit für die oft menschenverachtende Ausbeutung zu finden. Ein Kapitel widmet Hamm der Uranförderung in Niger. Es gehört zu einem der ärmsten Länder der Welt, das inzwischen Uran mit einem Wert von 35 Milliarden US-Dollar für ein französisches Unternehmen gefördert hat. Es erhielt aber selber kaum etwas davon, dafür leidet es unter einer verseuchten Umwelt. Daher ist das Buch von Hamm ein wertvoller Beitrag, denn er weitet den Blick auf den Stoff Uran, der mehr ist als nur Brennelement in den Kernkraftwerken. Dennoch: Einzelne Fakten sollte man im Zweifel noch einmal genauer nachschlagen.

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