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»Das verflixte Selbst«: Die Suche nach dem Selbst

Der philosophisch interessierte Laie mag die von Heiko Reisch vorgetragenen Gedanken zum Selbst durchaus anregend finden. Doch als Grundlage für die Einschätzung und Bewertung möglicher Einsatzgebiete künstlicher Intelligenz taugen sie nicht.
Frau betrachtet sich im Spiegel

Was macht den Menschen aus, was ist sein Selbst? Heiko Reisch nähert sich diesen Fragen aus verschiedenen Perspektiven. Eine davon ist der Blick auf die künstliche Intelligenz – wobei der Autor gleich zu Beginn postuliert, dass eine »starke KI« scheitern werde, denn »Menschen bleiben etwas anderes.« Diese Aussage, die bereits im Klappentext formuliert wird, nimmt die Tendenz der Argumentation vorweg.

Der Autor ist Geisteswissenschaftler und hat bereits ein populärwissenschaftliches Buch zur Geschichte der Philosophie veröffentlicht. Reisch erklärt, wie der Begriff des »Selbst« im 17. Jahrhundert entstanden ist und wie ihm dann im Laufe der Zeit unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben wurden. So war die Erkenntnis beispielsweise für den Philosophen John Locke (1632–1704) von Erfahrungen bestimmt, die der Mensch im Laufe seines Lebens sammelt. Dies, zusammen mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion, machte für ihn das Selbst aus. Es trage die Verantwortung für das Handeln des Menschen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts werde der Begriff des »Selbst«, so Reisch, in der Philosophie immer seltener verwendet, die Verhaltenswissenschaft widme sich ihm nun unter anderen Gesichtspunkten.

Wenn man der KI vorwirft, dass sie kein Mensch ist

In leicht verständlicher, zuweilen umgangssprachlicher Ausdrucksweise geht der Autor der Frage nach, welche Faktoren das Selbst bestimmen und welchen Regeln das menschliche Miteinander unterliegt. Am Beispiel des autonomen Fahrens stellt der Verfasser menschliches Verhalten der Aktion von künstlicher Intelligenz gegenüber. Eine KI agiere bei Unfallgefahr entsprechend den Regeln, die ihr mitgegeben wurden, was einem nutzengeleiteten Handeln gleichkäme. Menschen würden eine Schadensminimierung anstreben, unterstellt Heiko Reisch pauschal. Die naheliegende Frage, ob nun Menschen oder eine KI weniger Schaden anrichten, bleibt unbeantwortet. Vielmehr postuliert der Autor: »Es gibt kein fertiges allzeit gültiges Rechenschema, das moralisch akzeptabel wäre.«

Was er allerdings unter diesem »Rechenschema« einer KI versteht, lässt Reisch offen. Dafür entwirft er Szenarien, wie eine KI nach menschlichen Maßstäben handeln könnte. Die mit Blick auf den Menschen geprägten Begriffe wie »Selbst«, »Verantwortung« oder »Selbstbewusstsein« werden zu diesem Zweck auf Potenziale der KI übertragen. Bei diesem Transfer kommt der Verfasser häufig zu dem Schluss, dass die KI den Anforderungen, die nach menschlichem Maßstab mit diesen Begriffen verbunden sind, nicht genügen werde. Reisch geht stets davon aus, dass es Ziel der Entwicklung von künstlicher Intelligenz sei, dass die KI die Welt so wahrnehme und in ihr agiere, wie Menschen es tun. Dabei lässt er außer Acht, dass KI-Systeme, denen in Zukunft vielleicht Intelligenz zugebilligt wird, in der Lage sein könnten, neue Kategorien, Begriffe und Erkenntnisse zu generieren, die sich als Maßstab für die Beschreibung und Bewertung ihrer Hervorbringungen als angemessener erweisen.

Der philosophisch interessierte Laie mag die hier vorgetragenen Gedanken zum Selbst durchaus anregend finden. Doch wer sich faktenbasiert mit zukünftigen Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz beschäftigen will, wird kaum einen Nutzen aus diesem Buch ziehen.

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