»Degenerierte Vernunft«: Reizvoll, aber nicht lebendig
Künstliche Intelligenz verändert unser Leben und unsere Arbeitswelt radikal. Nicht verwunderlich ist es daher, dass sich viele besonders reißerisch mit technischen Dystopien auseinandersetzen. Wildgewordene autonome Killerroboter oder die Zentralisierung von Macht und Information sind selbstverständlich wichtige Themen – allerdings bereits seit Jahrzehnten Teil des Diskurses. »Degenerierte Vernunft« bietet etwas erfreulich anderes: eine sensible Analyse des Unterschieds zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz.
Jörg Phil Friedrich ist nicht nur Philosoph und Publizist, sondern auch seit mehr als 25 Jahren als Softwareentwickler tätig, was ihn zu realitätsnahen und verständlichen Funktionsanalysen von KI und maschinellem Lernen befähigt. Kurz und elegant diskutiert er Alan Turings Vorschläge, wie wir testen könnten, ob sich ein System intelligent verhält. Danach geht er auf John Searles Argument ein, dass intelligentes Verhalten allein noch nicht ausreicht, um sagen zu können, dass ein System tatsächlich intelligent ist, also wirkliches Verständnis hat. Friedrich findet, dass wir noch unabsehbar weit von dieser sogenannten starken KI entfernt sind.
Im Gegensatz zu künstlichen Aromen und Kunstschnee, die durchaus als echt durchgehen könnten, sei KI wie eine künstliche Blume: oberflächlich betrachtet reizvoll und funktional, aber eben nicht lebendig. Die derzeit realisierbare, schwache KI generiere keine eigenständige Bedeutung und spiele ihre Stärken nur in jenen Bereichen der menschlichen Intelligenz aus, die von formalen Abläufen und vorhersehbaren Erwartungen geprägt sind. Vielleicht könne sie uns daher von lästigen Routineaufgaben befreien, damit wir die wilde Schönheit der menschlichen Vernunft entfalten können, also mehr Zeit und Energie für sinnstiftende Kreativität und Zwischenmenschliches haben? Kurzweilig, gut lesbar, hochrelevant und originell.
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