»Dement, aber nicht vergessen«: Demenzkranke besser betreuen
»Unsere Zukunft ist dement.« Diese im ersten Moment erschreckend klingenden Worte sollen wachrütteln: sowohl die Bevölkerung als auch Entscheidungsträger in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Aktuellen Statistiken zufolge sind in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, Tendenz steigend. In acht Kapiteln formuliert Michael Schmieder – unterstützt von Uschi Entenmann und Erdmann Wingert – seine Ideen für ein besseres Leben von Betroffenen und deren Angehörigen.
Schmieder, der Ethik studiert, als Pfleger gearbeitet und ein Heim für Demenzkranke betrieben hat, versucht auf mehreren Ebenen, Bewusstsein für den Umgang mit Demenz zu schaffen. Er beschreibt zunächst Möglichkeiten zur Bewältigung des gemeinsamen Alltags mit Erkrankten, indem er Beispiele für gelungene Interaktionen aufzeigt, die auf realen Begebenheiten basieren. Anschließend folgen alltagspraktische Antworten auf Fragen wie: Was tun, wenn mein demenzkranker Partner den Arztbesuch verweigert? Wie gewinnen wir Sicherheit in der Diagnose? Wie finde ich einen guten Pflegedienst? Wie bewahre ich Erkrankte vor peinlichen Situationen bei Besuchen und in der Öffentlichkeit?
Daneben versucht Schmieder tiefgründige Fragen zu beantworten, etwa, ob Menschen mit Demenz ihr Leben noch genießen können oder ob dieses überhaupt einen Sinn hat, wenn man den Verstand verliert. Der Autor möchte ermutigen. Seine Erfahrungen in der Pflege stützen seine Überzeugung, dass es zahlreiche Dinge gibt, die das Leben von Betroffenen schön und genussvoll machen können. Es gelingt ihm, seiner Leserschaft die Angst vor der Krankheit zu nehmen und Betroffene nicht auf ihre Demenz zu reduzieren.
Antworten des Autors auf typische Fragen und prägnante Handlungsanleitungen stellen wohl den wichtigsten Teil des Buchs dar. Die Anekdoten hingegen hätten knapper ausfallen können. Auch seine Kritik der derzeitigen Betreuungssituation bietet wenig Nützliches. Schmieder bemüht sich zwar, Lösungsansätze aufzuzeigen, diese gleichen jedoch eher Wunschvorstellungen als realistisch umsetzbaren Möglichkeiten. So wünscht er sich beispielsweise Quartierarbeit, also dass Nachbarn demente Menschen unterstützen. Häufig hebt er auch die Vorzüge des früher von ihm geleiteten Heims Sonnweid in der Schweiz hervor. In diesem gibt es eine »Oase« für Menschen, die sich in der letzten Phase der Demenz befinden. Die Betroffenen werden in einem Gemeinschaftsraum betreut, um nicht allein sterben zu müssen. Allerdings sind die Kosten für die Errichtung und den Betrieb eines solchen Heims sicherlich keine Kleinigkeit.
Wenn es darum geht, die Betreuungssituation für Menschen mit Demenz langfristig zu verbessern, sind die Gesellschaft und Entscheidungsträger künftig stark gefordert – so viel ist nach der Lektüre jedenfalls klar.
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