»Den Klimawandel verstehen«: Von Astrophysik bis Klimaschutz
Endlich mal wieder ein Buch, dessen Titel Programm ist: »Den Klimawandel verstehen«. Wer das bunte Büchlein durchgelesen hat, der dürfte verstanden haben, wieso unsere Erde so sensibel ist, wie leicht ihr Klima aus dem Gleichgewicht gerät und was wir dringend tun und lassen sollten. Daran ist wenig neu, ist die Physik hinter dem Erdklima doch seit langer Zeit im Wesentlichen verstanden. Neu ist jedoch, dass jede Seite mit Erklärungen durch eine weitere mit Sketchnotes (visuellen Notizen) begleitet wird. Diese sollen das Verständnis unterstützen und beim Merken helfen.
Klimawandel von Grund auf erklärt – angefangen bei der Astrophysik
Das Team hinter dem Buch besteht aus dem Astrophysiker und Wissenschaftsmoderator Harald Lesch, seiner Frau, der Astrophysikerin und Wissenschaftskommunikatorin Cecilia Scorza, sowie der Physikerin Katharina Theis-Bröhl. Letztere hatte die Idee zum Konzept und steuerte die Sketchnotes bei. Angesichts des fachlichen Hintergrunds von Lesch und Scorza überrascht es nicht, dass das Buch weit ausholt und anhand astrophysikalischer Zusammenhänge zunächst darstellt, wie viele Parameter passen müssen, damit auf der Erde Leben überhaupt möglich ist. Das gelingt gut, wenngleich man sich wünschen könnte, die ein oder andere physikalische Formel würde nicht im Fließtext, sondern vielleicht in einer Infobox auftauchen. So können die vereinzelten Seiten Laien ganz schön abschrecken – auch wenn die kompakt gehaltenen Erklärungen leicht verständlich ausfallen.
Gut aufeinander aufgebaut und immer in kleinen, leicht verdaulichen Häppchen erläutern Lesch und Scorza, wie die Erdatmosphäre, Stoffkreisläufe und letztlich eben das globale Klima funktionieren. Die beiden erklären, wie der Mensch das Klima beeinflusst, und räumen mit Mythen wie dem Einfluss der Sonnenaktivität auf. Auch Rückkopplungseffekte und mögliche Kipppunkte behandelt das Buch Schritt für Schritt. Wenn man bedenkt, dass inzwischen die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland keinen Zweifel mehr an Klimawandel und an der Verantwortung der Menschen hat, kann man sich fragen, für wen dieses Wissen noch wichtig ist. Die Antwort ist einfach: für alle, die selbst verstehen wollen, statt Fachleuten blind zu vertrauen.
Die letzten zwei der sieben Kapitel widmen sich den unseren Handlungsoptionen und einem verhalten optimistischen Ausblick. Ohne diese psychologisch wichtige Komponente wäre heute wohl kein Buch über den Klimawandel mehr komplett. Insofern: Lesch und Scorza haben alles richtig gemacht. Wer Klima und Klimawandel verstehen will, kann dieses Ziel durch die Lektüre erreichen. Inhaltlich zu beanstanden ist kaum etwas, und das dann meist nicht von Gewicht.
Zwiespältig bleibt die Rolle der visuellen Notizen. Die verbalen Erklärungen sind so gut gelungen, dass eine grafische Unterstützung selten erforderlich ist. Überhaupt haben viele der Sketchnotes nur begrenzt erhellende Funktion oder funktionieren ohne die benachbarte Erklärseite nicht. Häufig fassen sie den längeren Text in wenigen, prägnanten Sätzen zusammen. So lautet der erste Absatz einer Erklärseite: »Wenn wir also diese Beschlüsse ernst nehmen, bleibt uns nur noch sehr wenig Zeit, um das Klima der Erde zu stabilisieren und die Aktivierung von Kipppunkten zu verhindern, ab denen die klimatischen Verhältnisse auf der Erde durch Rückkopplungseffekte ins Unkontrollierbare abdriften würden.« Gleich daneben findet sich in den Sketchnotes ein Stoppschild mit der Aufschrift »Um das Klima der Erde zu stabilisieren und die Aktivierung von Kipppunkten zu verhindern, bleibt uns nur noch wenig Zeit« sowie eine Sprechblase, die sagt: »Durch die Aktivierung der Kipppunkte würden die klimatischen Verhältnisse durch Rückkopplungseffekte ins Unkontrollierbare abdriften.«
Schlecht gemacht sind viele der Skizzen keineswegs. Für visuell lernende Menschen mögen sie den Text gut ergänzen oder das nachhaltige Einprägen des Gelesenen fördern. Aber vielleicht hätten es einige klassische Diagramme und Skizzen an den richtigen Stellen des Buchs getan, eventuell ergänzt um die Quintessenz der Erklärseiten jeweils an deren Ende. Das ist weniger eine Kritik an den Sketchnotes als ein Kompliment an die Autorin und den Autor.
Unter dem Strich bleibt ein klares Fazit: Wer die naturwissenschaftlichen Seiten des Klimawandels verstehen will, dem sei zum Buch »Den Klimawandel verstehen« dringend geraten – ganz gleich, ob sich die Sketchnotes am Ende als hilfreich oder überflüssig erweisen.
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