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Lob der Leere

Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig leer gefühlt? Und war das ein guter Moment – oder wollten Sie ihm schnellstmöglich entrinnen? Vermutlich eher letzteres.

In unserer Kultur der Selbstoptimierung gilt fast jede Minute, die man nicht nützlichen oder interessanten Dingen widmet, als vertan. Wer allerdings erfahren möchte, warum phasenweises Abschalten – nichts fühlen, nichts wollen, nichts tun – durchaus erstrebenswert ist, der lese dieses Buch des Hirnforschers Niels Birbaumer und des Journalisten Jörg Zittlau. Es erklärt, warum unser Gehirn "Leere-affin" ist.

Die Wege dorthin sind vielfältig. Ob Meditation, Musik, Sex, Epilepsie, Religion, Floating oder ­Fallschirmspringen – als gemeinsamen Nenner der dadurch evozierten Hirnzustände macht Birbaumer ein typisches neuronales Reaktionsmuster aus: Die Hirnströme verlangsamen sich. Präfrontale, also bewertende und handlungssteuernde Areale entkoppeln sich von der sensorischen Verarbeitung, die vor allem im hinteren Teil des Großhirns stattfindet. Auch wird die Aktivität von Netzwerken, die potenziell bedrohliche Reize erkennen, in Momenten der Leere heruntergefahren. Durch Studien mit Hilfe von Neurofeedback erkannte Birbaumer zudem, dass reduzierte Eigenwahrnehmung mit einer Hemmung der Inselrinde einhergeht, ­begleitet von einer sonderbaren "Entleerung" des Ichs.

Nicht zwangsläufig ein Glückszustand

Doch so schwer es ist, diese Zustände sprachlich dingfest zu machen, so diffizil ist auch eine Antwort auf die Frage, was wir von der Leere eigentlich haben. Sie sorge für Entlastung, weil sie Stress lindere, und öffne die Sinne, meinen die Autoren. Allerdings könne von ihr nur profitieren, wer ihr unvoreingenommen und ohne Erwartungen begegne. Wer die Leere fürchte, der leide eher unter ihr.

Die Zusammenarbeit von Zittlau und Birbaumer zahlt sich auch in diesem Buch aus. Das Duo bedient sich eines angenehm lockeren Tons. Da geht im schlafenden Gehirn "die Post ab", ein Orgasmus ist in erster Linie "geil", und die Inselrinde wird evolutionär betrachtet zum "alten Hasen". Besonderer Vorkenntnisse bedarf es für die Lektüre nicht.

Wiederholt betonen die Autoren, dass sich der Zustand der Leere nicht unbedingt gut anfühlt, er sich also kaum zum neuesten Schrei des Glückscoaching eignet. Zumal man ihn nicht gezielt herbeiführen kann: "Leere lässt sich nicht wollen. Im Gegenteil! Je energischer man nach ihr greift, desto mehr entgleitet sie." Ein paar Ideen, wie man die Leere willkommen heißen kann, gibt das Buch jedoch allemal.

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