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Das Erbe der Vorfahren

Zweifelsfrei: Die Familie prägt uns. Daher spielt in einer Psychotherapie die Beziehung des Patienten zu seinen Eltern oder Großeltern oft eine wichtige Rolle. Sollen wir uns darüber hinaus noch intensiver mit unseren Ahnen beschäftigen? Davon ist Peter Teuschel überzeugt. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie meint, wir seien unseren Vorfahren in hohem Maß verbunden; ihre Ängste, Hoffnungen, Konflikte oder Glücksmomente könnten auch noch unser heutiges Leben beeinflussen. Ihre Erfahrungen lebten gar in uns weiter.

Der niedergelassene Psychiater bindet Ahnen regelmäßig in die Therapie mit ein. Dafür fragt er seine Patienten zum Beispiel, was sie über ihre Urgroßeltern wissen, oder lässt sie die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern skizzieren. Indem man sich mit den eigenen Vorfahren auseinandersetze, lerne man sich selbst besser kennen, so seine Annahme. Immer wieder kämen unbewusste Überzeugungen und unausgesprochene Regeln zum Vorschein, die über Generationen hinweg weitergegeben würden. Häufig spielten Scham und Schuld, körperliche Gewalt oder Familiengeheimnisse eine Rolle, aber auch positive Gefühle wie Stolz.

Länger als ein Menschenleben?

Teuschel ist der esoterische Drall solcher Thesen durchaus bewusst. Er gibt zu, anfangs selbst skeptisch gewesen zu sein. Doch je länger er sich dem Einfluss der Ahnen gewidmet habe, desto überzeugter sei er geworden. Ausführlich geht er auf die Ergebnisse seiner Recherchen ein: Nicht nur im Schamanismus sei der Ahnenkult weit verbreitet gewesen. Auch Sigmund Freud sei davon ausgegangen, dass Gefühle über Generationen hinweg bestehen könnten. C.G. Jung habe sogar von einem "kollektiven Unbewussten" als psychischem Erbe der Menschheit gesprochen. Spätestens seit der Entdeckung epigenetischer Vorgänge sei klar, dass Erfahrungen – etwa Stress  – das Genom beeinflussen und dadurch vererbt werden können. Hinweise auf entsprechende transgenerationale Effekte gebe es für die Traumatisierung der Nachkriegsgeneration. Sie könne sich auch in deren Kindern und Enkeln fortsetzen, glaubt der Autor.

Anschließend schlägt er verschiedene Wege vor, sich mit den Vorfahren und ihrem Einfluss auseinanderzusetzen, zum Beispiel durch Gespräche mit älteren Familienmitgliedern über deren Kindheit oder das Anschauen alter Fotos und Dokumente. Eine allgemein gültige Anleitung möchte er jedoch nicht geben. Es sei schon viel erreicht, wenn man sich den möglichen Einfluss verstorbener Familienmitglieder bewusst mache.

Dass er sich auf empirisch äußerst wackligem Boden bewegt, verschweigt Teuschel nicht. Das mag seine teils abenteuerliche Interpretation der aufgeführten Fallspiele ein Stück weit verzeihen. Etwa wenn er meint, die frühere Scham einer Großmutter, bezogen auf ihren bipolaren Bruder, zeige sich nun in dem ablehnenden Verhalten ihrer Enkelin gegenüber kleinen Jungen. Naturwissenschaftlich geneigte Leser werden die möglichen epigenetischen Implikationen deutlich interessanter finden. So regt das Buch stellenweise durchaus zum Nachdenken an – und das ist letztlich das Ziel des Autors.

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