Buchkritik zu »Der begriffliche Aufbau der theoretischen Physik«
Das Buch ist die Ausarbeitung einer Vorlesung, die der theoretische Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker 1948 in Göttingen gehalten hat. Es kam ihm "vor allem darauf an, diejenigen Begriffe und Sachverhalte herauszupräparieren, welche die ganze Physik beherrschen, diejenigen Fragen, welche die gesamte Forschung in Spannung halten".
Nach fast 60 Jahren ist der Text ein historisches Dokument und wird uns auch so, als Vorlesung, präsentiert: keine Literaturangaben, kein Glossar und eine Fülle von Formulierungen, die mündlich vorgetragen akzeptabel sein mögen, schriftlich aber schlicht peinlich sind. Ein Buch ist nun einmal ein Buch und keine Vorlesung, die auch durch Intonation der Verständlichkeit aufhelfen kann. Der Satz "Das Ding ist in vielen Weisen des Erscheinens ein und dasselbe" klingt zwar tiefsinnig; aber er ist ein Beispiel für Richard P. Feynmans abfällige Bemerkung, dass Philosophen Aufhebens davon machen, dass "eine Person von vorn anders aussieht als von hinten".
Auch zahlreiche Ungenauigkeiten stören mich. Ein Beispiel: Bereits vermöge des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten formuliert von Weizsäcker als die Verneinung des Gravitationsgesetzes "Zwei Massen ziehen sich stets an" die Aussage "Sie können sich nicht anziehen" – während doch die Logik höchstens ergibt, dass sie sich mindestens einmal nicht angezogen haben oder anziehen werden. Aber abgesehen von diesen – sehr zahlreichen – Kleinigkeiten: Verdient dieses Buch über den historischen Aspekt hinaus Interesse? Meine Antwort ist ein zögerliches Ja.
Zwar ist zumindest in meinem Arbeitsgebiet, der Physik der Elementarteilchen, zu dem, was Weizsäcker 1948 kennen konnte, vieles hinzugekommen. Gleichwohl sind einige Fragen von damals, "welche die gesamte Forschung in Spannung halten", bis heute nicht beantwortet. Über die schwache Wechselwirkung wissen wir heute mehr, als Weizsäcker sich träumen lassen konnte; neue Fragen nach lokaler Symmetrie, nach dem Ursprung der Masse und manchem anderen sind aufgetaucht. Aber es bleiben doch die alten Fragen, die sich in dem Schlagwort "Quantenmechanik" zusammenfassen lassen. Hier vertritt Weizsäcker die auch heute noch aktuelle "Kopenhagener Interpretation".
Kennt man sie, weiß man die Fortschritte seit damals zu würdigen. Was Weizsäcker zu den bereits 1948 klassischen Themen Raum, Zeit und Zufall zu sagen wusste, ist heute so lesenswert wie damals. Heute ist keine Wissenschaftstheorie ohne Popper, keine Diskussion der Grundlagen der Mathematik ohne Turing mehr möglich. Wer liest, was Weizsäcker – ohne Popper und ohne Turing – zu diesen Themen zu sagen hatte, kann dadurch sein Verständnis der weiteren Entwicklung schärfen. Insgesamt habe ich das Buch vor allem, aber nicht nur, als historisches Dokument gelesen.
Nach fast 60 Jahren ist der Text ein historisches Dokument und wird uns auch so, als Vorlesung, präsentiert: keine Literaturangaben, kein Glossar und eine Fülle von Formulierungen, die mündlich vorgetragen akzeptabel sein mögen, schriftlich aber schlicht peinlich sind. Ein Buch ist nun einmal ein Buch und keine Vorlesung, die auch durch Intonation der Verständlichkeit aufhelfen kann. Der Satz "Das Ding ist in vielen Weisen des Erscheinens ein und dasselbe" klingt zwar tiefsinnig; aber er ist ein Beispiel für Richard P. Feynmans abfällige Bemerkung, dass Philosophen Aufhebens davon machen, dass "eine Person von vorn anders aussieht als von hinten".
Auch zahlreiche Ungenauigkeiten stören mich. Ein Beispiel: Bereits vermöge des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten formuliert von Weizsäcker als die Verneinung des Gravitationsgesetzes "Zwei Massen ziehen sich stets an" die Aussage "Sie können sich nicht anziehen" – während doch die Logik höchstens ergibt, dass sie sich mindestens einmal nicht angezogen haben oder anziehen werden. Aber abgesehen von diesen – sehr zahlreichen – Kleinigkeiten: Verdient dieses Buch über den historischen Aspekt hinaus Interesse? Meine Antwort ist ein zögerliches Ja.
Zwar ist zumindest in meinem Arbeitsgebiet, der Physik der Elementarteilchen, zu dem, was Weizsäcker 1948 kennen konnte, vieles hinzugekommen. Gleichwohl sind einige Fragen von damals, "welche die gesamte Forschung in Spannung halten", bis heute nicht beantwortet. Über die schwache Wechselwirkung wissen wir heute mehr, als Weizsäcker sich träumen lassen konnte; neue Fragen nach lokaler Symmetrie, nach dem Ursprung der Masse und manchem anderen sind aufgetaucht. Aber es bleiben doch die alten Fragen, die sich in dem Schlagwort "Quantenmechanik" zusammenfassen lassen. Hier vertritt Weizsäcker die auch heute noch aktuelle "Kopenhagener Interpretation".
Kennt man sie, weiß man die Fortschritte seit damals zu würdigen. Was Weizsäcker zu den bereits 1948 klassischen Themen Raum, Zeit und Zufall zu sagen wusste, ist heute so lesenswert wie damals. Heute ist keine Wissenschaftstheorie ohne Popper, keine Diskussion der Grundlagen der Mathematik ohne Turing mehr möglich. Wer liest, was Weizsäcker – ohne Popper und ohne Turing – zu diesen Themen zu sagen hatte, kann dadurch sein Verständnis der weiteren Entwicklung schärfen. Insgesamt habe ich das Buch vor allem, aber nicht nur, als historisches Dokument gelesen.
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