Sinnliche Baumkunde
Das Buch richtet sich an Menschen, die sich sinnlich zu Bäumen hingezogen fühlen, sie gern ansehen und berühren und diesen Zugang vertiefen möchten. Weniger eignet es sich für Personen, die eine sachlich-wissenschaftsnahe Lektüre wünschen. Forstwissenschaftler Andreas Roloff befasst sich eingehend mit dem Erscheinungsbild der Bäume und führt seine Leser damit vor allem auf der emotionalen Ebene an die gängigen Baumarten Deutschlands heran. Angesprochen fühlen könnten sich Naturliebhaber mit einem Hang zur Spiritualität.
Das Hardcover im DIN-A5-Format ist handlich und hübsch gestaltet, mit zahlreichen Aufnahmen, meist vom Autor selbst. Insgesamt 40 Baumarten stellt er vor, die er jeweils mit einem ganzseitigen Foto einführt. Er klassifiziert sie, indem er sie kapitelweise in schnelllebige, mittelalte und langlebige unterteilt. In einigen Kästen bietet er Sonderinformationen an, etwa die, dass der Ahorn laut Mythologie sowohl Hexen und böse Geister vertreibt als auch Hoffnung und Träume erfüllt. Erklärende Schemazeichnungen finden sich hingegen kaum – so wie der Band generell nur wenig auf Systematik, Botanik oder gar Genetik eingeht. Im letzten Kapitel empfiehlt der Forstwissenschaftler weiterführende Literatur und komplettiert sein Werk mit einem Register.
Klang der Kronen
Roloff beschreibt das Erscheinungsbild, den arttypischen und standortbedingten Wuchs und die Nutzungsmöglichkeiten von Früchten und Holz. Zudem erklärt er, was Pionier- und Klimaxbaumarten sind, weshalb die Sandbirke ein weißes Rindenkleid trägt – und warum Vogelbeeren nicht nur weniger giftig sind, als viele annehmen, sondern in geringen Mengen sogar die Herztätigkeit anregen, durstlöschend und schweißmindernd wirken. Praktische Tipps gibt der Autor ebenso: Zum Beispiel lässt sich die Austrocknung des Weihnachtsbaums hinauszögern, indem man die Stammbasis ansägt und die Nadeln mit Wasser einsprüht. In historischen und mythologischen Exkursen erfahren die Leser unter anderem, dass Martin Luther Elsbeeren liebte. Ferner schildert Roloff das Klangbild verschiedener Kronen. So höre man bei Windstärke 4 "im Sommer aus der Krone [der gewöhnlichen Hainbuche] ein helles kleckerndes Rauschen", aus jener der europäischen Eibe hingegen "ein gleichmäßig helles Säuseln". Sich dies allein aus der Lektüre heraus vorzustellen, fällt allerdings schwer.
Ein weiteres Thema ist der Gebrauchswert verschiedener Baumarten früher und heute. Beispielsweise erzählt Roloff, dass sich aus den Früchten der Elsbeere (Sorbus torminalis) Kompott, Marmeladen und Fruchtsäfte herstellen lassen und junge Zweige zur Herstellung von Farbstoff dienen können. Eine wichtige Rolle spielt die Heilwirkung verschiedener Baumbestandteile. So sollen die Blätter der Esche, als Tee verabreicht, gegen Rheuma und Gicht wirken. Leider führt der Autor nicht genauer aus, wie der Tee zuzubereiten ist und welcher Mechanismus der heilenden Wirkung zu Grunde liegt. Generell lassen die Informationen es oft an fachlicher Tiefe vermissen.
Der Hang zur Mystik, der schon im Titel anklingt, zieht sich durch den gesamten Band. Immer wieder geht es darum, das "Wesen" eines Baumes zu erfassen. Zudem behandelt der Autor verschiedene Sagen, die mit den vorgestellten Baumarten verbunden sind, was nicht allen Lesern zusagen dürfte. Zwar gelingt es ihm mittels vieler unterschiedlicher Informationen, ein umfassendes Bild der vorgestellten Baumarten zu zeichnen, er malt dieses jedoch nicht vollständig aus. Immerhin zeigen die Literaturempfehlungen, wo die Leser sich vertiefend informieren können.
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