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Plaudernde Rundreise

Zahlreiche Fachgebiete streifend, widmet sich ein Arzt und Psychotherapeut unserem Körper und seinen Sinnen.

»Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.« Dieses Zitat aus Goethes »Faust« könnte als Motto dienen für das neue Buch von Helmut Milz »Der eigen-sinnige Mensch«.

Vielen wird der eigene Körper erst bewusst, wenn es hier und da zwickt. Andere arbeiten sich daran ab, ihn im Fitnessstudio zu formen, weil sie sonst gleichsam auf Rollen sitzend leben – vom Frühstückstisch ins motorisierte Verkehrsmittel auf den Bürostuhl und später wieder zurück auf den heimischen Sessel. Zu einer gesunden Lebensweise gehört aber das Bewusstsein, dass der Körper »Mittelpunkt, Werkzeug, Ausdrucksmittel und Bühne des Lebens« ist, wie es Milz ausdrückt. Davon ausgehend unternimmt der Arzt, Psychotherapeut und Honorarprofessor für Public Health in Bremen eine Reise durch den Körper – von den Sinnen (Tasten, Schmecken, Riechen, Hören, Sehen) über Herz, Atmung, Nervengeflecht, Bauch und Bauchgefühle, Knochen, Muskelkraft und Muskelsinn bis hin zum »inneren Fluss des Lebens«. Der Trennstrich in »eigen-sinnig« steht nach Aussage des Autors dafür, dass sich unsere Wahrnehmungen »weit über die klassischen fünf Sinne hinaus (…) in einem nicht genau zu lokalisierenden ›Gemeinsinn‹ jedes Menschen unterschiedlich ›synästhetisch‹ verbinden«.

Häufige Perspektivwechsel

Der Autor gibt sich als Anhänger einer körperbetonten, den Patienten auch berührenden Medizin, die sich nicht allein auf Maschinen, Apparate und sonstige Instrumente verlässt. Er erläutert aus ärztlicher und psychotherapeutischer Sicht die einzelnen Sinne, Organe und Körperteile in einem wohlwollenden, fast therapeutischen Tonfall. In seinem Buch streift er viele Fachgebiete, indem er Exkurse in die Kulturanthropologie, Kunstgeschichte, Literatur, Phänomenologie, Religions-, Medien-, Technik-, Philosophie- und Zeitgeschichte unternimmt. Dabei wechselt er häufig die thematische Perspektive – manchmal von Absatz zu Absatz oder von Kurzkapitel zu Kurzkapitel.

Milz zeigt eine deutliche Vorliebe für Metaphern der Umgangssprache; sie sind ihm Ausgangspunkt für die Argumentation in den meisten Kapiteln, Alltagswendungen wie »Das habe ich doch nicht riechen können« bis hin zum »guten Riecher« und die vielfachen Konnotationen und Variationen solcher Alltagsweisheiten spielen eine große Rolle. Als Leser gewinnt man den Eindruck, der Autor sei umfassend gebildet und resümiere die Summe seines Lebens und seiner Erfahrungen. Gelegentlich übertreibt er es allerdings mit dem »Namedropping« oder reißt Zitate aus dem Zusammenhang. Das Buch ist reich bebildert, aufwändig gestaltet und qualitativ gut gedruckt.

In dieser Fülle und Weite liegt freilich auch die Krux des Buchs. Sein Stil ist plaudernd bis geschwätzig und sehr leicht lesbar: in der Mehrzahl Hauptsätze, wenige Nebensätze und kaum Nebensätze zweiter Ordnung. Der Autor wechselt vom Hölzchen aufs Stöckchen und bleibt dabei zumeist an der Oberfläche. Seinem Werk fehlt die Tiefe, die erst den kritischen Verstand zum eigenen Nachdenken und Widerspruch anregt; eine Diskussion scheint nicht intendiert. Man liest, staunt wenig und vergisst allzu schnell wieder.

Zudem ist das Buch nicht frei von Fehlern. Milz leistet sich manche Ungenauigkeit, als hätte er aus dem Gedächtnis zitiert, und scheint nicht immer auf dem letzten Stand der Forschung zu sein. Kants »Kritik der reinen Vernunft« (1781 und 1786) verlegt er ins 19. Jahrhundert; bei seinen Ausführungen zum Schmecken fehlt der vor einigen Jahren entdeckte Sinn für Fett und so weiter. Zitate belegt der Autor nicht, ebenso wenig erschließt sich der Sinn des Literaturverzeichnisses am Ende des Bands. Alles in allem ein Werk, das man nicht unbedingt gelesen haben muss.

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