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»Der Flow-Kompass«: Tanzend zur Gelassenheit?

Julia F. Christensen zeigt, wie künstlerische Tätigkeiten die Psyche stärken können. Ein wissenschaftlich fundierter Kompass, der allerdings auch Schwächen hat.

Sind Sie schon einmal in einer Tätigkeit richtig aufgegangen? Haben Sie dabei alles um sich herum vergessen, die Zeit nicht mehr wahrgenommen? Es ist ein befreiendes Gefühl, das im Umgang mit Druck und den Unsicherheiten des Lebens helfen kann – aber wie finden wir es?

Die Wissenschaft hat Antworten auf diese Frage, weiß die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Julia F. Christensen. Und sie kennt sich mit Kunst aus: Als ehemalige Profi-Balletttänzerin und Tango-Argentino-Liebhaberin weiß sie, was »Flow« bedeutet. In ihrem Buch bringt sie Forschung und Lebenswirklichkeit zusammen und erklärt, wie Kunst zu mehr Gelassenheit und Freude verhelfen kann und welche Hindernisse auf dem Weg zum Flow zu überwinden sind.

Die Autorin nimmt sich Zeit, um die Fakten ausführlich darzustellen. Die mehr als 300 Seiten teilt sie grob in zwei Hälften. Im ersten Teil geht es um die Neurowissenschaft hinter unseren Gewohnheiten und dem Grübeln: Was brauchen Menschen zum Glücklichsein, und was hindert sie oft daran? Der zweite Teil beschäftigt sich mit Lösungsansätzen und der Frage, wie uns Kunst und Kreativität helfen können.

Kunst ist nicht automatisch hilfreich

Dabei ist das Buch keinesfalls eine reine Lobeshymne auf die Kunst. Es geht auch darum, wie Wettkampf oder eine Flucht in künstlerische Tätigkeiten genau den Flow vermeiden können, den wir uns so sehr wünschen. So erzählt die Autorin die Geschichte eines Freundes, bei dem Tango Argentino zur Sucht wurde – ein Beispiel dafür, wie auch eigentlich positive Verhaltensweisen nur in Maßen hilfreich sind.

Bereits zu Beginn betont Julia Christensen, dass sie die wissenschaftlichen Hintergründe mitunter stark vereinfacht. Sie möchte keine Abhandlung schreiben, erläutert sie, sondern das Thema allgemein verständlich präsentieren. Dazu nutzt sie vor allem Beispiele und Metaphern aus dem Tanz und der Musik, die sie allerdings in manchen Fällen ein wenig weit treibt.

Kompass ohne klare Richtung

Insgesamt schreibt die Autorin nachvollziehbar und angenehm. Zuweilen könnten die wissenschaftlichen Aussagen allerdings kritischer eingeordnet werden. Die vereinfachte Darstellung lässt es oft so aussehen, als seien alle angeführten Behauptungen eindeutig durch Forschung belegt – auch wenn sie zuweilen nur durch kleinere Studien gestützt werden oder eigene Interpretationen präsentieren, zu denen es durchaus Alternativen gibt.

Vor allem aber fällt es schwer, den roten Faden des Buchs auszumachen. Natürlich ist das Thema umfassend und kann psychologisch auf ganz unterschiedliche Weise erschlossen werden. Dass die Autorin in ihrem Text aber immer wieder daran erinnern muss, worum es ihr im Kern geht, belegt, dass dem Buch eine klare Richtung fehlt.

Eine Fülle wissenschaftlicher Theorie

Zudem unterscheidet sich der zweite Teil weniger stark vom ersten, als es die Einordnung in »Theorie« und »Praxis« vermuten lässt. Zwar liefert Julia Christensen einige konkrete Strategien der Entspannung, aber auch deren Darstellungen sind sehr theorielastig. Die einfach verständliche Anleitung, die der Titel des Buchs verspricht, liefert es nicht.

Trotz dieser Einschränkungen kann man von der Lektüre profitieren, denn die Autorin hat eine Menge Wissen rund um die menschliche Psyche zusammengestellt. Wer sich einen fundierten Überblick über die Forschung verschaffen möchte und dafür auch bereit ist, etwas tiefer in die Materie einzutauchen, findet hier eine gute Grundlage – allerdings eher als Faktensammlung denn als einfach anwendbarer Kompass.

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