Begnadeter Selbstdarsteller
Den römischen Staatsmann Gaius Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) zählen viele zu den drei Heroen der Weltgeschichte – neben Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.) und Napoleon Bonaparte (1769-1821). Aber warum eigentlich? Die Wahl zum Pontifex maximus 63 v. Chr. gewann er im Alter von 37 Jahren nur dadurch, dass er in einem Vabanquespiel fast das gesamte Familienvermögen riskierte. Sein Konsulat im Jahr 59 endete im Chaos; Cäsar rettete sich vor seinen politischen Widersachern in Rom gerade eben noch ins Prokonsulat der römischen Provinzen Südgalliens. Dort begann er 58 umgehend einen groß angelegten Angriffskrieg, mit dem er nicht nur Gallien erobern, sondern noch wesentlich weiter ausgreifen wollte.
Doch in Britannien und Germanien scheiterte der Prokonsul auf ganzer Linie. Als er sich nach 7 Jahren militärischer Abenteuer wieder der römischen Politik zuwendete, hatte er Gallien in eine Schädelstätte verwandelt. Auch in Italien selbst provozierte Cäsar mit voller Absicht einen Bürgerkrieg, indem er 49 mit Truppen den Grenzfluss Rubikon überschritt. Es folgten fünf Jahre blutiger Kämpfe, die er 45 zwar gewann. Doch schon am 15. März 44 v. Chr. wurde er ermordet, kaum dass er sich vom Senat zum Diktator auf Lebenszeit hatte ernennen lassen. Die römische Republik hatte er zerstört, das Kaisertum sollte nach ihm erst Augustus schaffen.
Subjektive Geschichtsschreibung
Warum gilt Cäsar trotzdem als große historische Figur? Eine Antwort liefert Markus Schauer, der klassische Philologie an der Universität Bamberg lehrt, mit seiner akribischen literaturwissenschaftlichen Analyse von Caesars Werk "De bello Gallico" (Über den gallischen Krieg). Nach einer historisch sehr informativen Einführung in die Vorgeschichte, die etwa ein Drittel des Buchs ausmacht, geht Schauer der Frage nach, inwieweit der Text die Ereignisse entweder historisch korrekt schildert oder im Sinne Cäsars präsentiert. Da es zu diesem Krieg fast keine anderen Quellen gibt, muss man versuchen, sich der Antwort nicht nur geschichts-, sondern auch literaturwissenschaftlich zu nähern.
"De bello Gallico" basiert auf den "Commentarii", die Cäsar jedes Jahr als eine Art Rechenschaftsbericht an den Senat schickte. Nach sieben Jahren, als er sich gezwungen sah, wieder in die römische Politik einzugreifen, versah er die sieben Berichte mit einem Vorwort und präsentierte sie in Buchform der Öffentlichkeit. "Es war die Fortsetzung der Politik mit den Mitteln der Literatur", konstatiert Schauer.
Die "Commentarii" waren damals eine verbreitete Textsorte und behandelten politische und historische Themen, mitunter auf literarische Weise. Selbstinszenierung war dabei gang und gäbe, da es sich bei den Autoren zumeist entweder um Politiker handelte oder um Literaten, die (von Politikern) für ihre Autorendienste bezahlt wurden. Erstere lieferten gelegentlich Rohentwürfe, die die Zweiten anschließend weiter ausarbeiteten. "Commentarii" gaben eine gewisse Unfertigkeit vor, bedienten sich zumeist einer einfachen Sprache und erweckten damit den Eindruck, das Geschilderte authentisch wiederzugeben. Cäsar setzte all diese Stilmittel ein; wo nötig, ging er auch darüber hinaus und schaffte damit beinahe eine neue Literaturgattung, jedenfalls ein einmaliges Werk.
Gelungene Inszenierung
Cäsar – das betont Schauer – schrieb den Text selbst, und zwar in dritter Person aus der Perspektive eines allwissenden Beobachters. Dabei präsentierte sich als umsichtigen Feldherrn. Seine Gegner wie den Gallierfürsten Vercingetorix kontrastierte er derart, dass er selbst in möglichst heroischem Licht erschien. Der Staatsmann beschrieb Szenen wie eine Versammlung von Anführern in der belagerten Stadt Alesia mit einer Detailgenauigkeit, von der er unmöglich Kenntnis haben konnte. Damit malte er Schreckensszenarien, mit denen er sein eigenes, äußerst brutales Vorgehen rechtfertigte, dem hunderttausende Menschen zum Opfer fielen.
Mit "De bello Gallico" schuf Cäsar auf literarisch brillante Weise ein historisches Werk, in dem er sich als welthistorisches Individuum präsentierte, das sich für Höheres empfahl. Er fand Jahrtausende lang Leser, die ihm das glaubten – bis heute. Schauers Analyse legt die Mechanismen dahinter offen, ist interessant und aufschlussreich, verliert sich aber manchmal in ermüdenden literaturwissenschaftlichen Details. Deshalb lässt sich das Buch nur enger Interessierten empfehlen.
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