Geraten Sie auf den Holzweg?
Ist das Heft, das man möglicherweise in der Hand hat, eigentlich kariert oder liniert? Besteht der alte Zopf aus Haar oder aus Hefeteig? Und wie schafft man es ohne abenteuerliche Verrenkungen, jemandem auf den Schlips zu treten? Wir verwenden diese und ähnliche Redewendungen mit der größten Selbstverständlichkeit, doch auf die Frage, wie sie eigentlich entstanden sind und was sie früher bedeutet haben, können wir nur selten antworten. Kein Wunder, denn solche Redensarten greifen oft auf längst vergangene und vergessene Verhältnisse zurück – und das macht sie zu kleinen, feinen Zeugnissen der Kulturgeschichte.
Vier plausible Erklärungen
Die Entstehungsgeschichte von 35 dieser Redensarten zeichnen nun die Autorin und Kabarettistin Andrea Schomburg und die Illustratorin Irmela Schautz nach, mit einem originellen und amüsanten Dreh: Zu jeder Wendung werden – wie im vermutlich bislang erfolgreichsten Fernsehquiz der Fernsehgeschichte – vier mögliche Erklärungen angeboten, und die Leserschaft darf raten, welche die eigentlich die richtige ist. Die Auflösungen finden sich im hinteren Teil des Buchs.
Das hört sich leichter an, als es ist! Manche Herleitungen klingen völlig abstrus und sind trotzdem die reinste Wahrheit, dafür kommt die eine oder andere Schwindelei hochseriös daher. Dass der Schopf, bei dem man die Gelegenheit ergreift, auf den Lügenbaron Münchhausen zurückgeht, der sich daran angeblich selbst aus dem Sumpf zog, hätte man sich gut vorstellen können. Aber nein, auf ihn lässt sich der Spruch nicht zurückführen (auf wen stattdessen, darf hier natürlich nicht ausgeplaudert werden).
Wem gehörte der Ärmel, aus dem erstmals etwas geschüttelt wurde? Dem Magier Houdini, einer Hofdame aus dem mittelalterlichen Burgund, einem Falschspieler oder gar der römischen Göttin Fortuna? Ein besonderer Reiz liegt ebendarin, dass in den frei erfundenen Erklärungen echte Gelehrsamkeit und hanebüchener Unsinn zu einer höchst vergnüglichen Mixtur verquirlt werden. Man kann erahnen, wie viel Spaß die Autorinnen daran hatten, ihre Leser auf Holzwege zu führen. Und was es mit diesen »Holzwegen« auf sich hat, erfährt man natürlich auch.
Solche Bücher sind zweifellos nicht die epochalen Werke, die den Lauf der Welt verändern, sondern eher ein literarischer Snack für einen verregneten Nachmittag. Aber auch solche Bücher kann man schludrig und dröge schreiben oder wie hier mit Respekt vor dem Detail und einer großzügigen Portion Humor. Man kann sie lieblos aufmachen oder ihnen wie in diesem Fall zauberhafte Illustrationen gönnen. »Der geheime Ursprung der Redensarten« zählt eindeutig zu den gelungeneren Vertretern seiner Gattung.
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