An Pfingsten sind die Geschenke am geringsten
Bertolt Brecht hatte vor Jahrzehnten Recht: An Pfingsten gibt es keine Geschenke; das kirchliche Fest scheint in der Luft zu hängen. Auch wenn Pfingstmontag den Deutschen einen arbeitsfreien Tag beschert, wissen die wenigsten, was das Fest so bedeutsam macht.
Die Aussendung des Heiligen Geists
An diesen Tagen geht es in der Kirche um die Aussendung des Heiligen Geistes. Aber wer oder was ist das? Als dritten Teil der nicht unkomplizierten christlichen Trinitätslehre (die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes) scheint er immer ein wenig hinten herunterzufallen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man sich unter Gott als Vater und dem Sohn Jesus Christus etwas konkretes vorstellen kann – was umso weniger auf den Heiligen Geist zutrifft.
Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat der evangelische Theologieprofessor Jörg Lauster eine Biografie des Heiligen Geistes geschrieben, die dessen Spur durch die Jahrhunderte folgt. Und für jeden ist etwas dabei – ob geschichtliche, philosophische, naturwissenschaftliche oder theologische Erkenntnisse, das Werk enthält spannende Fakten für ein breites Publikum.
Allerdings ist die Dogmatik der Trinitätslehre nicht nur der Schrecken theologischer Examina. Darüber hinaus hat gerade das rechte Verständnis des Heiligen Geists in der Geschichte der Kirche zu genügend Streitigkeiten, Spaltungen und schlimmeren Ereignissen geführt. Daher könnte man erwarten, dass die Lektüre von Lausters Werk einerseits eine intellektuelle Herausforderung wird, andererseits interessante historische Ereignisse aufnehmen sowie auf die Frage eingehen wird, welche Bedeutung der Heilige Geist in der religiösen Erfahrung des modernen Menschen hat oder haben kann. Es ist also ein durchaus ambitioniertes Vorhaben.
Lauster beschreibt das Phänomen des Heiligen Geistes in vier großen Kapiteln: Von den Ursprüngen in der Schöpfungsgeschichte bis zur sichtbaren Gestalt, dem Verhältnis von Geist und Mensch etwa in der Mystik sowie dem Bezug von Geist und Geschichte etwa im utopischen Denken und der Verbindung von Geist und Welt, wie in der Auseinandersetzung mit dem Materialismus.
Aus philosophischer und naturwissenschaftlicher Perspektive ist die moderne Diskussion darüber, wie sich Geist und Materie zueinander verhalten, interessant. Ausgehend von Darwin hat der Materialismus die Vorstellung zerstört, Welt und Natur seien planvoll geschaffen und in irgendeiner Weise von einem göttlichen Geist beseelt. Die Natur stehe für sich allein. Aber wenn die Religion von einer göttlichen Präsenz in der Welt ausgeht, wo ist sie dann zu finden, und wie ist sie zu begründen?
In der Bibel ist es der menschliche Geist, in dem man die Präsenz des göttlichen Geistes erfährt. In der nachfolgenden Kirchengeschichte, besonders in der Mystik, wird dieser Gedanke des »Seelenfunkens« (Meister Eckhart) weiter ausgeführt und diskutiert.
Es scheinen sich also zwei Lebensmodelle unversöhnlich gegenüberzustehen. Man merkt dem Buch in jedem Kapitel an, dass es die Spannung zwischen diesen Polen der Welterkenntnis oder Welterfahrung ist, welche die Argumentation des Autors vorantreibt. In einer säkularisierten Welt, die durch eine immer größer werdende Nichtakzeptanz des Christentums geprägt ist, ist es aus Sicht der Kirche wichtig, in die anthropologischen Diskurse mit guten Einsichten und Argumenten einzugreifen.
Doch was sagt das über Pfingsten aus? Für den ersten Theologen des Christentums, Apostel Paulus, ist Pfingsten kein einmaliges Ereignis, sondern ein Lebensgefühl, die Erfahrung von etwas anderem, das den Menschen über sich selbst hinausführt. Damit ist nicht nur der Rahmen der Selbsterkenntnis oder Weltdeutung gemeint, sondern auch eine ethische Qualifikation, die das Handeln des Menschen zum Guten hin bewegt.
Die religiöse Erfahrung von Pfingsten kann also zum religiösen Verstehen der Gegenwart beitragen und die Welt zu verbessern suchen. Sie zeigt so eine besondere Facette des Menschseins im Natur- und Weltverständnis auf. Stoff und Anregungen zum Nachdenken über dieses Verständnis bietet die Biografie des Heiligen Geistes genug.
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