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Zwischen Widerstand und Kollaboration

Der arabische Geograf und Reiseschriftsteller Ibn Dschubayr (1145-1217) kritisierte seine Landsleute, wenn er im Hinblick auf die Herrschaft der Kreuzfahrer im Nahen Osten schrieb: "Das ist eines der Missgeschicke, die die Muslime befallen. Die muslimische Gemeinschaft beklagt die Ungerechtigkeit eines Grundherrn ihres eigenen Glaubens und preist das Vorgehen ihres Gegners und Feindes, des fränkischen Grundherrn, und gewöhnt sich daran, von ihm gerecht behandelt zu werden." Unzufrieden mit den eigenen Herrschern, scheinen sich Teile der muslimischen Bevölkerung in den Gebieten, die die christlichen Kreuzfahrer erobert hatten, mit den neuen Machthabern arrangiert zu haben.

Dies muss umso mehr verwundern, da die Kreuzfahrer brutale Plünderungen und grauenhafte Massaker unter den Einheimischen verübten. Oft werden die Kreuzzüge daher als Zusammenprall zweier Weltreligionen, des Christentums und des Islams, beschrieben. Bis heute ist die Geschichtsschreibung dieser Kriege von der europäischen Sichtweise dominiert. Islamische Quellen wurden vernachlässigt, unter anderem wegen des Fehlens verlässlicher Übersetzungen.

Das Abendland am Rand der Welt

Paul Cobb, Professor für islamische Geschichte an der University of Pennsylvania (USA), wechselt in seinem Buch die Perspektive und fragt, wie Muslime die europäischen Invasionen im Nahen Osten zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert wahrnahmen. Er beschreibt beispielsweise deren geografische Kenntnisse über Europa und seine Bewohner. Dabei zeigt sich ein Phänomen, das (in umgekehrter Perspektive) auch von europäischen Kulturen bekannt ist: Abgesehen von den islamischen Gebieten auf der Iberischen Halbinsel zählte Europa für die meisten Muslime des Nahen Ostens bis zum 11. Jahrhundert zur Peripherie der Welt – ein Kontinent, dessen Bild geprägt war durch eine Vermischung von Fakten und Fantasie.

Das Christentum galt in der islamischen Glaubensgemeinschaft als unterlegen. Die Europäer, so die verbreitete Auffassung, lebten in unwirtlichen Klimazonen, seien barbarisch und rückständig. Gott habe die klimatisch angenehmen Gebiete den zivilisierten Völkern vorbehalten. Ähnlich wie mittelalterliche Autoren Europas die muslimischen Völker häufig verallgemeinernd als "Sarazenen" bezeichneten, galten den Muslimen die Europäer durchweg als "Franken", deren kriegerische Tapferkeit man durchaus bewunderte.

Nach klassischer Zählung unternahmen die christlichen Abendländer zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert sieben Feldzüge in den Nahen Osten, um das "Heilige Land" von der muslimischen Herrschaft zu befreien. Dazu aufgerufen hatte jeweils der Papst, den die Muslime oft mit einem Kalifen gleichsetzten. Cobb stellt in seinem Buch heraus, dass die christlichen Kreuzfahrer im Nahen Osten keineswegs auf einen einheitlichen Kultur- und Herrschaftsraum trafen. Religiös war er in Schiiten und Sunniten gespalten, politisch untergliederte er sich in verschiedene Reiche mit multikultureller Bevölkerung, zu der auch Juden und Christen zählten. Die europäischen Eroberer standen vor dem Problem, mangels Arbeitskräften auf die aus ihrer Sicht eigentlich unerwünschte muslimische Bevölkerung und deren Verwaltung angewiesen zu sein – und sie entsprechend integrieren zu müssen.

Keine gesamtislamische Reaktion

Cobb argumentiert, dass es aus diesem Grund auch keine einheitliche muslimische Antwort auf die europäischen Invasionen und Besetzungen gab. Zwar entstand das Ideal eines muslimischen "Gegenkreuzzuges", doch alle islamischen Führer, die zum "Heiligen Krieg" (Dschihad) aufriefen, taten das letztlich aus politisch-taktischer Berechnung heraus. Zwar behaupteten sie, im Sinne der islamischen Umma zu handeln, verfolgten letztlich aber eigene Interessen und erzielten daher auch nur begrenzte Wirkung. Laut dem Autor galt das sogar für die bekanntesten Anführer der Muslime: Zangi (regierte 1127–1146), dessen Sohn Nur al-Din (regierte 1146–1174) sowie Saladin (regierte 1174– 193), der 1187 Jerusalem von den Kreuzfahrern zurückeroberte.

Die Muslime reagierten auf die christlichen Invasionen beileibe nicht nur mit Widerstand, sondern auch mit Auswanderung (zumindest bei den Eliten), mit Akzeptanz der neuen Herren und bisweilen sogar, indem sie mit den Kreuzfahrern kollaborierten. Zeitgenössische arabische Schriftsteller warnten folgerichtig vor muslimischer Uneinigkeit, prangerten den Stolz und die Tyrannei der "Franken" an und beschworen die Gefahren durch religiöse Minderheiten.

Cobbs Buch richtet sich an Leser mit Vorkenntnissen, welche die europäische Geschichtsschreibung mit alternativen Sichtweisen vergleichen und bereichern möchten. Er deutet die Kreuzzüge nicht als Konflikt zwischen Christentum und Islam, sondern als machtpolitisch und wirtschaftlich geprägte Auseinandersetzungen, an denen konkrete Akteure ein Interesse hatten. Damit leistet er einen Beitrag, um das Verhältnis zwischen christlichem und muslimischem Kulturkreis aufzuarbeiten, das heute spannungsgeladener denn je erscheint. Allerdings übernimmt er in seiner Wortwahl unkritisch die Wertungen mittelalterlich-arabischer Autoren, indem er die Europäer durchgängig als "Franken" bezeichnet. Hier wäre eine stärkere Distanzierung von den Quellen angemessen gewesen.

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