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»Der Kampf ums Wasser«: Kriegsgrund: Wassermangel

Terror, Flucht und Kriege: Jürgen Rahmig erläutert, welchen Anteil Dürre und Überschwemmungen an den Krisen weltweit haben. Lesenswert.
Altreifen auf vertrocknetem Flussbett irgendwo in Argentinien

Ein Buch über Wasser, in dem der Diplomat und ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger das Vorwort schreibt, und ein Politikjournalist als Autor: So eröffnet sich ein ungewohnter, aber wichtiger Blick auf das Thema Wasser.

Jürgen Rahmig berichtet seit 40 Jahren aus Krisengebieten und schreibt über Außen- und Sicherheitspolitik und das politische Geschehen weltweit. In seinem neuen Buch zeigt er, welche sicherheitspolitische Rolle Wasser bei Krisen und Konflikten spielt. 

Ob Iran, China, Syrien, Mali, aber auch die Niederlande, Deutschland, Tibet, die Ukraine oder der verschwindende Inselstaat Tuvalu und viele andere Länder: Rahmig nennt aus allen Kontinenten konkrete Beispiele zur Situation der Versorgung mit Wasser. Welche Krisen gibt es, wo wird ein Staudamm als Druckmittel genutzt, welche gesellschaftlichen und politischen Folgen hat es, wenn Brunnen versiegen, Flüsse oft nur noch Rinnsale oder stinkende Kloaken sind oder Gletscher unwiderruflich abschmelzen? Wassermangel oder Überflutungen sind Gründe für Konflikte, Landflucht, Nahrungsmangel, Migrationsprobleme oder Terrorismus. 

Wasser als Waffe

Rahmig schreibt dabei nicht nur allgemein, sondern schildert konkrete Beispiele und zeigt dabei seine faktenreiche Expertise. So schildert er im Detail, wie es in der Türkei brodelt, Syrien im Chaos versinkt, der Gazastreifen abgehängt wird, der Krieg im Jemen vergessen wird, Lima auf dem Trockenen sitzt, wie die Türkei den Kurden das Wasser abdreht oder den Krieg ums Wasser auf der Krim.  

Rahmig stellt auch kontroverse Einschätzungen vor. Denn welche Rolle die Dürre in Syrien gespielt hat, sehen Experten unterschiedlich. Er zeigt auch Beispiele, bei denen Wasser als Waffe eingesetzt wird. Eines ist die Türkei, die in Nordsyrien einmarschierte und die Wasserversorgung für die Menschen der Region unterbunden hat. Ein Mittel, das auch deutsche Kolonialisten damals in Namibia nutzten, als sie die einheimischen Hereros in die Wüste drängten und sie dort »elendig verdursten ließen«. 

Bisher hat es noch keinen Krieg gegeben, der ausschließlich wegen Wasser geführt wurde, doch das kann noch kommen, so Rahmig. Auch hier nennt er ein Beispiel. Wenn Saudi-Arabien »gnadenlos« das Grundwasser aus immer größerer Tiefe abpumpt aus einem Grundwasserspeicher, der auch unter Jordanien liegt – einem Land, das weltweit am allerwenigsten Wasser zur Verfügung hat –, dann kann ein Konflikt auch zu einem Krieg eskalieren. Wobei auch schon bei Krisen und Konflikten um Wasser Menschen sterben. 

Trump als Grönlandinvestor

Rahmig betrachtet aber nicht nur die Süßwasserressourcen, sondern fasst das Thema weiter: warum Trump Grönland kaufen wollte, die USA auf der Insel investieren oder warum China ebenfalls »Arktis-Anrainer« werden will und was steigende Meerwasserspiegel tatsächlich für Folgen haben. 

Eines sollte keiner vergessen: Wasserkonflikte haben weltweite Auswirkungen, wenn für eine rücksichtslose Landwirtschaft der wertvolle Amazonaswald abgeholzt wird oder Menschen aufgrund von Trockenheit und Dürre in die Städte oder andere Länder migrieren.

Das Buch von Rahmig macht betroffen. Ein Beispiel ist die Zahl 31: Verschärft der Klimawandel den Wassermangel, so werden 2050 rund 31 Länder unbewohnbar sein. 

Schnörkellos berichtet Rahmig und nennt viele Quellen – weit über 800. Damit der Anhang das Buch nicht beherrscht, hat der Verlag eine charmante Alternative gewählt und einen QR-Code abgedruckt, unter dem alle Quellen nachzulesen sind. 

Rahmig zeigt sehr lesenswert das politische und gesellschaftliche Ausmaß, das mit dem Zugang zu Wasser im 21. Jahrhundert verbunden ist. Lösungen gebe es, aber wir müssen verstehen, wie schlimm es in anderen Regionen ist, und vorausschauend denken. Das gelte nicht nur für Industrieländer, sondern wir müssen auch die Länder mitdenken, die keine Möglichkeiten haben, weil die Dürre voranschreitet. Wasser ist ein Thema, das uns noch lange beschäftigen wird. Wer das Buch liest, findet es völlig schlüssig, dass sich nicht nur Naturwissenschaftler oder Wasserexperten mit dem Thema befassen. Sondern auch ein Experte für weltweite Krisen. 

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