Exkurse in die Neurowissenschaften
Der berühmteste aller Mythen über das Gehirn: Angeblich nutzen wir nur etwa zehn Prozent unserer Hirnaktivität. Verfügen wir demnach über ein gewaltiges Potenzial, unsere kognitive Leistungsfähigkeit um das Mehrfache zu steigern? Leider nicht. Das französische Ehepaar Naccache – er Neurowissenschaftler, sie Schriftstellerin – räumt mit diesem Ammenmärchen auf. Allerdings geben sie auch einen kleinen Lichtblick: Die Kapazität unseres Gehirns ist dank dessen Plastizität durchaus erweiterbar, wenn auch nicht derart fantastisch, wie es die mythischen zehn Prozent suggerieren.
Ursprünglich waren die 35 kurzen Kapitel als morgendlicher Podcast bei dem Radiosender France Inter zu hören, im Anschluss wurden sie zu einem Buch zusammengefasst. Der Anspruch der Autoren ist hoch: Nach der Lektüre sollten die Leser auf die Frage, ob sie verstehen, wie das Gehirn funktioniert, mit »Aber sicher!« antworten können.
Ein hehres Ziel, das sich bei aller Anschaulichkeit und gewitzten Annäherung an diese hochkomplexe Thematik als etwas zu hoch gesteckt herausstellt. Die Autoren vermitteln absolutes Basiswissen – kombiniert mit einigen Bonusfakten. Die Leser lernen unter anderem, was eine Gliazelle macht und dass es unheimlich viele Neurone gibt, die alle miteinander kommunizieren. Aber was ist ein Neurotransmitter? Das entsprechende Kapitel klärt das nicht, verrät dafür aber, wie der Pharmakologe Otto Loewi in den 1930er Jahren ein bahnbrechendes, nobelpreisgewürdigtes Experiment mit Neurotransmittern erträumte.
Wer das Buch liest, erhält eine Idee davon, wie vielschichtig die Neurowissenschaften sind, und lernt einige unnütze, aber interessante Fakten. Ein schöner Einstieg, allerdings noch weit entfernt vom wirklichen Verstehen unseres geheimnisvollsten Organs.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.