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»Der nach den Sternen griff«: Porträt eines Freigeists

Unerschrocken und ein wenig selbstherrlich: So zeichnet Volker Reinhardt mit Giordano Bruno einen Wegbereiter unseres modernen Weltbilds. Eine faszinierende Lektüre.

Wenn man bei der Lektüre eines Geschichtsbuchs ganz in eine fremde Zeit eintaucht, Entwicklungen nachvollzieht, die Denken und Wahrnehmung der heutigen Zeit zugrunde liegen, und versteht, dass sich die Menschheit in den letzten Jahrhunderten in Bezug auf Macht und Machtmissbrauch nicht sonderlich verändert hat – dann lohnt sie sich auf jeden Fall. Das Buch von Volker Reinhardt über das Leben und die Lebenswelt Giordano Brunos (1548–1600) gehört in diese Kategorie – zumal es obendrein lebendig in eine geradezu brodelnde geschichtliche Epoche einführt.

In der religiösen Landschaft Europas markiert der Augsburger Religionsfriede von 1555 den ersten, noch winzigen Startpunkt einer Idee von religiöser Toleranz. In der Folge verschiebt sich das politische Bewusstsein im Blick auf das Verhältnis von Kirche und Staat. Ebenfalls in dieser Zeit bahnt sich in der Naturwissenschaft durch Forscher wie Galilei und Kepler die Umwälzung des herrschenden Menschen- und Weltbildes an.

Mittendrin: Giordano Bruno aus der Stadt Nola bei Neapel, 1548 dort geboren, hingerichtet durch die Inquisition im Jahr 1600 in Rom; ein Mensch, dessen Name in ganz verschiedenen Kontexten – Gewissenfreiheit, Religionskritik, Philosophie, Naturwissenschaft – immer wieder fällt und dessen Tod auf dem Scheiterhaufen heute als Symbol des Kampfes zwischen Theologie und moderner Welterkenntnis gilt. Der aus einfachen Verhältnissen stammende, hoch begabte Giordano Bruno wurde in eine Welt hineineingeboren, in der entscheidende Weichen für die Genese der modernen Welt gestellt wurden. Als wandernder Philosoph sollte Bruno zu denen gehören, die daran wesentlich mitwirkten.

Unerschrocken und ein wenig selbstherrlich

Es ist nicht leicht, die vielen Facetten zu benennen, die das Leben von Giordano Bruno ausmachen. Allein ein Blick auf die Karte im Anhang des Buchs, die Giordanos Lebensweg quer durch Europa verfolgt, lässt einen staunen. Seine Spuren reichen von Neapel über Rom nach Frankreich, von dort aus nach England, dann ins Heilige Römische Reich mit dem östlichsten Punkt Prag, schließlich zu den Zentren der Reformation in Wittenberg, Genf und Zürich.

Aber was ist – in aller Kürze – der Kern von Giordanos Weltanschauung? Das Weltall ist für Bruno unendlich, die Erde ist eine unter vielen Welten. In den anderen Welten gebe es durchaus auch Lebewesen, die ein besseres und glücklicheres Leben führen als die Erdbewohner. Das Weltall sei nicht allein für die Menschen geschaffen worden und sei auch nicht auf sie bezogen, vielmehr sei das Universum selbst belebt und beseelt. Auch die Erde und alle anderen Himmelskörper haben nach Bruno eine eigene Seele, und alles Lebende habe einen inneren Lebensantrieb. Auf diese Weise sei alles Lebende miteinander verwandt und aufeinander bezogen. Einen Tod gebe es nicht, sondern nur eine stetige Verwandlung.

Es ist offensichtlich, dass man sich im Europa des 16. Jahrhunderts mit solchen Aussagen nicht viele Freunde machte, weder in protestantischen noch in katholischen Ländern; zumal Giordano Bruno auch behauptete, dass seine eigene Wahrheit größer sei als die von Jesus Christus. In den Universitäten konnte nicht gut ankommen, dass Bruno Kopernikus lediglich als einen würdigen, aber beschränkten Vorläufer seiner selbst ansah. Eine gewisse Selbstherrlichkeit lässt sich bei Bruno tatsächlich nicht abstreiten. Auch mit Blick auf die von ihm geforderte Rede- und Gedankenfreiheit lassen sich in seinen Ausführungen einige Inkonsistenzen feststellen. So nimmt er für sich selbst die absolute Freiheit des Denkens in Anspruch, sieht aber kein Problem darin, die Herrschaft der Vernunft – selbstverständlich die gemäß seiner Interpretation – anderen gegenüber notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

Die kopernikanische Wende, das Aufkommen der modernen Astronomie, das genauere Beobachten und die entsprechende Empirie als Grundlage einer neuen Naturphilosophie: All das bildete nicht nur den Hintergrund für Brunos Denken – es führte auch auf die Frage hin, wer denn nun die Deutungshoheit über die Beschaffenheit der Welt besitzen sollte. Sollte es die Religion sein mit dem Papst als ultimativer Autorität oder die Forschung, vertreten durch eine neue Generation von Naturwissenschaftlern? Diese Frage stellte sich in einer Zeit, die zudem durch konfessionelle (Papsttum versus Reformation) und machtpolitische Konflikte (Papst versus weltliche Herrscher) geprägt war.

Ein aus der damaligen Perspektive »ketzerischer« Freigeist wie Giordano Bruno musste fast damit rechnen, zwischen die Fronten staatlicher und kirchlicher Politik zu geraten. Dennoch stand bei seiner Verurteilung gar nicht mal seine Lehre im Vordergrund, vielmehr fiel er einem Machtkampf zwischen dem Papst und den weltlichen Herrschern von Venedig zum Opfer. Am Ende lieferten die Venezianer Bruno aus, der Papst konnte seine Macht demonstrieren, und Venedig durfte bei einer möglichen späteren Kontroverse mit dem Entgegenkommen des Papstes rechnen.

Doch Bruno ließ sich von all diesen Gefahren niemals einschüchtern und avancierte zu einem Wegbereiter für die Freiheit des Denkens. Wie man heute vielleicht sagen würde: »Respect, he did it.«

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