Ein philosophischer Thriller
Ein Mann, der 40 000 verbotene Manuskriptseiten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs von Freiburg nach Löwen in Belgien bringt, unter Einsatz seines Lebens. Was wie die Zusammenfassung eines Hollywood-Blockbusters klingt, ist eine reale Geschichte, die der belgische Autor Toon Horsten in seiner eigenen Familie entdeckte. Ausgehend von einem alten Foto rekonstruiert er in seinem mitreißenden Dokumentarroman »Der Pater und der Philosoph« die Geschichte seines entfernten Onkels Herman Leo Van Breda, eines Franziskanermönchs, der den Nachlass eines der größten Philosophen der deutschen Geschichte rettete: Edmund Husserl (1859–1938).
Husserl gilt als Begründer der Phänomenologie, einer philosophischen Strömung, die die moderne Philosophie Europas nachhaltig prägte und den denkerischen Fokus von komplizierten Gedankengebäuden zurück zu den tatsächlichen Dingen in der Welt lenkte. Die Idee: Wir nehmen Phänomene der Welt immer mit einer gewissen Intention wahr, also nie objektiv. Ein berühmter Ausspruch der Phänomenologie lautete »Zu den Dingen!«, man solle sich also wieder auf den Gegenstand der Wahrnehmung selbst besinnen.
Riskante Flucht mit verbotenem Gepäck
Allerdings steht nicht Husserls Philosophie im Fokus des Buchs, sondern die Geschichte, wie dessen Überlegungen für die Nachwelt gerettet wurden. Denn da er jüdischer Abstammung war, bestand die Gefahr, dass seine Schriften im nationalsozialistischen Deutschland vernichtet werden. Das will der Held dieser Erzählung um jeden Preis verhindern. Der dokumentarische Roman lässt – wie der Plot schon vermuten lässt – dem Leser keine Sekunde Ruhe, so mitreißend ist Van Bredas Kampf um die Gedanken Husserls (ganz nebenbei rettet er auch Husserls Frau und weitere Menschen vor dem Holocaust). Der nüchterne Stil tut der Spannung keinen Abbruch. Wer sich also für die europäische Geistesgeschichte und die Phänomenologie interessiert, dem sei dieses auch wissenschaftspolitisch interessante Werk wärmstens ans Herz gelegt.
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