»Der Planet ist geplündert«: Prediger des Sonnengottes
Marketing versteht der Hirzel-Verlag. »Der Planet ist geplündert – Was wir jetzt tun müssen« ist dem Buch überschrieben, als Autoren stehen dort gleichberechtigt der bekannte Fernsehmoderator Franz Alt und der nicht minder bekannte Umweltwissenschaftler und Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker. Außerdem prangt auf dem Cover »50 Jahre ›Die Grenzen des Wachstums‹«. Ehrlicher wäre es hingegen gewesen, das Buch »Der Planet ist geplündert – wie der Glaube ihn retten kann« zu nennen, mit Alt als Autor und von Weizsäcker als Verfasser eines Nachworts.
»Möglichkeiten gibt es überall«
Wie viele Sachbücher, die in diesen Tagen erscheinen, schildert auch dieses zunächst den dramatischen Status quo der Natur und der menschlichen Gesellschaft: Artensterben, Klimakrise und deren Folgen, fehlendes Trinkwasser und unzulängliche Nahrung sind nur einige Punkte. Doch ganz früh – und auch das ist inzwischen zu Recht üblich geworden in Büchern zur Nachhaltigkeit – dokumentiert der Autor Alt zahlreiche Beispiele für positive Entwicklungen, vom dänischen Offshore-Windpark, der Strom für zehn Millionen Menschen liefern soll, über die chinesische Elektromobilitätsmetropole Shenzhen und Fahrradvorreiter Amsterdam bis zu deutschen Ökolandbauzielen. »Das ist die Grundbotschaft dieses Buches: Möglichkeiten gibt es überall«, schreibt Alt. Tatsächlich ist das wohl auch die Stärke des Werks: Die vielen kleinen und großen Beispiele können motivieren und optimistisch stimmen.
Seine Kritik beschränkt der Autor nicht auf den langjährigen ausbeuterischen Umgang mit der Natur. Auch am Wirtschafts- und Bildungssystem hat er manches auszusetzen: »Wenn wir als Spezies überleben wollen, dann müssen die Ökonomen lernen, dass ihre Wissenschaft eine Unterabteilung der Ökologie ist«, fordert Alt und attestiert: »In keinem anderen Land gehen Arbeitnehmer so lustlos zur Arbeit wie in Deutschland.« Woher der Bestsellerautor das weiß? Das bleibt sein Geheimnis, denn Quellen zu den zahlreichen Fakten und Behauptungen nennt Alt nur selten, auch wenn er am Ende des Buchs ganz allgemein zwei Seiten Literaturhinweise gibt.
Das wäre vielleicht nicht so schlimm – immerhin ist vieles, was Alt schreibt, altbekannt, und nach Jahrzehnten, die der Mann politische Magazine moderiert und sich für erneuerbare Energien engagiert hat, darf man ihm eine gewisse Sachkenntnis zugestehen. Doch dieses Vorschussvertrauen verspielt er durch mindestens umstrittene Deutungen des Phänomens der Biophotonen sowie eine Reihe von Übertreibungen (»Geht diese Entwicklung so weiter, befürchten Wissenschaftler, gibt es 2050 keinen Wald mehr in Deutschland«) und offensichtlichen Fehlern: So schreibt er zum fiktiven Szenario eines Pförtners, der eine Million Jahre lang für 3000 Euro im Monat den Atommüll bewachen müsste, dass dies mehr Geld kosten würde, als die gesamte Menschheit heute habe. 36 Milliarden Euro sind aber gerade mal der aktuelle Jahreshaushalt von Berlin. Das hätte spätestens im Lektorat auffallen müssen. Und bei aller begründeten Kritik an Kernkraftwerken: Dass Atom- und Fusionstechnologie »schöpfungswidrig« seien, ist schon eine steile These.
Die liegt vielleicht aber auch an der Lösung, die der bekennende Christ für unsere heutigen Krisen umfassend propagiert: »Wir können und müssen einen stärkeren Austausch und eine tiefere Verbindung zwischen unserer materiellen Welt und der göttlich-geistigen Welt schaffen.« Und: »Alle Weisheitslehren wissen, dass der Mensch kein vergänglicher Körper, sondern eine lebendige und unsterbliche Seele ist.« Außerdem konnte die Entwicklung des Lebens »nicht ohne planende göttliche Intelligenz geschehen«. Kein Zweifel: Ohne Wertschätzung für Mitmensch und Natur werden wir nicht mit unserer Umwelt in Einklang leben können. Aber die können auch Atheisten besitzen.
Natürlich finden sich daneben eine Reihe sinnvoller, aber ebenso unstrittiger wie bekannter Lösungsansätze, von der Agrar- über die Verkehrswende und die Kreislaufwirtschaft bis zur Energiewende mit der für Alt typischen Werbung für Solarenergie. Nicht zu vergessen: Weltfrieden und ein Weltparlament. Wirklichen Erkenntnisgewinn, »was wir jetzt tun müssen«, kann dem Buch jedoch nur entnehmen, wer sich noch nie eingehender mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst hat. Doch auch wenn sich für diese Zielgruppe viele lohnende Fakten und Anregungen zu einem gesünderen Lebenswandel in diesem Buch entdecken lassen: Die gibt es anderswo ohne Predigt.
Ganz zum Schluss darf Ernst Ulrich von Weizsäcker auf 15 der 208 Seiten des Buchs einen historischen Abriss geben von der Entstehung des Club of Rome, der Studie »Die Grenzen des Wachstums« bis in die gegenwärtigen Aktivitäten dieser Institution. Die Idee der Großen Transformation geht wesentlich auf den Club of Rome und seine Studie zurück und die Rückkehr in die planetaren Grenzen ist wesentliches Thema des Buchs. Doch inhaltlich neue Debattenbeiträge finden sich auf diesen 15 Seiten praktisch nicht, sie wirken wie aufgepfropft, um von Weizsäcker als Autor nennen zu können.
Als Fazit bleibt: Man kann »Der Planet ist geplündert« guten Gewissens nur Menschen empfehlen, die einen Stupser brauchen, um sich aus religiöser Überzeugung aktiv für den Erhalt der »Schöpfung« einzusetzen.
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