Direkt zum Inhalt

Wegweiser auf dem Gesundheitsmarkt

Wer heute krank ist oder glaubt, es zu sein, sieht sich mit einer kaum überschaubaren Fülle an diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten konfrontiert. Was davon ist in welchen Fällen sinnvoll? Führen mehr Diagnose und mehr Behandlung auch zu mehr Gesundheit? Und was bedeuten Begriffe wie Epigenetik oder individualisierte Medizin? Der Demograph und Epidemiologe Robin Haring nimmt sich dieser Fragen an. Differenziert widmet er sich den Entwicklungen der Hightech-Medizin, entlarvt übertriebene Versprechen und Erwartungen, stellt aber ebenso heraus, wie leistungsfähig die neuen Verfahren sein können. Oft bezieht er sich dabei auf aktuelle Studien, die er nach ihrer Aussagekraft einordnet.

Kritisch und pointiert, doch nie reißerisch greift Haring Themen auf, die in der Öffentlichkeit oft problematisiert, aber selten sachlich erörtert werden. So schreibt er zum Beispiel, dass die Grenzwerte für Blutdruck, Cholesteringehalt und andere Größen immer weiter gesenkt werden, weshalb mehr und mehr Menschen als krank gelten und Medikamente verschrieben bekommen – was Pharmaunternehmen einen größeren Profit beschert. Haring wirft ein Schlaglicht auf Interessenkonflikte von Kommissionsmitgliedern, erklärt andererseits aber auch, welchen Zwängen unser Gesundheitsmarkt unterliegt und dass niedrigere Grenzwerte durchaus das Risiko für Herzerkrankungen senken können.

Es gibt keine Gesunden, es gibt nur schlecht Untersuchte

Während viele Medien die "medizinische Unterversorgung" geißeln, leiden wir dem Autor zufolge eher unter einer Überversorgung. So kämen Diagnoseverfahren und Therapien vielfach auch dann zum Einsatz, wenn sie für den Einzelnen eher eine Belastung bedeuten als einen Nutzen mit sich zu bringen. Das Screening auf Prostatakrebs etwa biete zwar die Chance, zeitig entdeckte Erkrankungen wirksamer zu behandeln, liefere aber auch zahlreiche falsch positive Diagnosen und verunsichere damit Menschen, die gar nicht krank sind. Auch der Trend, bereits mit Kleinigkeiten sofort einen Arzt zu konsultieren, untergrabe ein vernünftiges Verhältnis zu Gesundheit und Krankheit.

Eine wichtige Botschaft lautet, dass jeder Einzelne für sein Wohlergehen verantwortlich ist. Das beginnt bei Entscheidungen zum persönlichen Lebensstil und endet beim informierten Arztbesuch. Haring ermuntert seine Leser, sich über Therapien, Diagnosen, Erfolgschancen und Risiken schlau zu machen und dabei ruhig das Internet zu nutzen. Jedoch warnt er vor dem "Morbus Google", der Gefahr, dass man nach einer Internetrecherche plötzlich simple Kopfschmerzen für einen Hirntumor hält oder ein Kribbeln in den Beinen als Vorbote von Multipler Sklerose deutet. Wichtig sei, aus den vielen Informationen die glaubwürdigen und relevanten herauszufiltern und sinnvoll anzuwenden. Eine Hilfe können dabei die Links sein, die Haring in dem Buch angibt.

Obwohl das Buch anspruchsvolle Themen behandelt, ist es so locker und anschaulich geschrieben, dass auch medizinische Laien es verstehen und mit Freude lesen können. Dazu tragen übersichtlich gestaltete Grafiken bei, die Zusammenhänge auf einen Blick verdeutlichen. Wer sich genauer über die erwähnten Studien informieren möchte, findet Quellenangaben im Anhang.

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wer lebt am Grund des Nordpols?

Die Tiefsee rund um den Nordpol ist einer der am wenigsten erforschten Orte der Erde. Begleiten Sie das Forschungsschiff »Polarstern« auf seiner Expedition und entdecken Sie Artenvielfalt und Auswirkungen des Eisrückgangs auf das Ökosystem. Das alles und noch viel mehr in »Spektrum - Die Woche«!

Spektrum Kompakt – Depressionen

Mit ihren zahllosen Erscheinungsformen sowie Ursachen kann sich eine Depression auch hinter körperlichen Symptomen verstecken und Betroffene in vielen Lebensbereichen beeinflussen. Doch welche Therapie ist die passende? Und für wen lohnt es sich, experimentelle Verfahren wahrzunehmen?

Gehirn&Geist – Junge Menschen in der Krise

Die Zahl der psychischen Diagnosen nahm zuletzt besonders unter Kindern und Jugendlichen dramatisch zu. Woran leiden junge Menschen mehr als früher? Welche Rolle spielen Onlinemedien? Oder hat nur das Bewusstsein für seelische Nöte zugenommen? Daneben berichten wir, wie man Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, was oft mit Ängsten und Aggressionen einhergeht, das Leben erleichtern kann. Diese Krankheit geht oft mit Ängsten und Aggressionen einher, Medikamente helfen da kaum. Der Artikel "Wie »denkt« ChatGPT?" erklärt, welche Konzepte aus der Psychologie und Neurowissenschaft Fachleute nutzen, um zu verstehen, wie eine KI zu ihren Ergebnissen kommt. Außerdem berichten wir über die psychischen Folgen rund um das Thema Transplantation. Betroffene erleben mitunter Angst, Befremden und Schuldgefühle. Deshalb ist es wichtig, sich in der Zeit vor und nach der Operation auch um ihr psychisches Wohlergehen zu kümmern.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.