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Mehr im Kopf als alle anderen

Kapuzineraffen gelten als ziemlich clever. Doch was passiert, wenn man sie in einen Käfig steckt und ihnen alle 24 Stunden einen Berg von Keksen vorsetzt, sie die restliche Zeit hingegen hungern lässt? Die Affen schlagen sich jedes Mal gierig den Bauch voll – und befördern die übrig gebliebenen Kekse durch die Gitterstäbe nach draußen. Bis die nächste Lieferung eintrifft, müssen sie wieder stundenlang darben. Dieser Ablauf kann sich unzählige Male wiederholen – auf die Idee, sich Vorräte anzulegen, kommen die Tiere nicht.

Buschhäher dagegen tun das: Sie richten Futterspeicher ein, um in mageren Zeiten versorgt zu sein. Erstaunlicherweise gelingt es den Singvögeln nicht nur, ihre sorgsam versteckten Vorräte fast ausnahmslos wiederzufinden. Sie scheinen darüber hinaus genau zu wissen, wo sie verderbliche Nahrungsmittel wie Würmer gelagert haben und wo die haltbaren (etwa Nüsse). Einige Wissenschaftler schließen daraus, dass Buschhäher über so etwas wie ein episodisches Gedächtnis verfügen müssen – sich also merken können, wann, wo und unter unter welchen Umständen sie was getan haben.

Nichts als ein simples Verhaltensprogramm?

Das neue Buch des deutsch-australischen Entwicklungspsychologen und Primatenforschers Thomas Suddendorf ist gespickt mit solchen Fallbeispielen. Der Autor teilt die Auffassung nicht, dass Buschhäher ein episodisches Gedächtnis besitzen. Eher ließen sich die Vögel beim Aufspüren ihrer Depots von simplen Regeln leiten, schreibt er. Eine solche Vorschrift könnte lauten: Suche nach versteckten Würmern nur, wenn deine Erinnerung an sie noch einigermaßen deutlich ist. Nüsse hingegen suche auch, wenn du sie nur noch verschwommen im Gedächtnis hast.

Der Primatenforscher bestreitet nicht die große Vielfalt verblüffender kognitiver Fähigkeiten im Tierreich. Doch ihm zufolge kommen selbst die großen Menschenaffen, die "Geistesakrobaten" unter den Säugetieren, zwar mit manchen Aufgaben fantastisch zurecht – scheitern dafür aber an anderen, erstaunlich einfachen Herausforderungen. Suddendorf schließt daraus, dass wir Menschen über ein einzigartiges Denkvermögen verfügen. Nur bei oberflächlicher Betrachtung entstehe der Eindruck, Tiere seien uns geistig ebenbürtig. "Wenn man die Schwelle niedrig [genug] ansetzt, kann man sogar zu dem Schluss gelangen, dass Papageien sprechen, Ameisen Landwirtschaft betreiben, Krähen Werkzeuge herstellen und Bienen in großem Maßstab kooperieren."

Kognitive Grenzen der Tiere

Laut Suddendorf beruht unser überragendes Denkvermögen auf einem Gefüge sich wechselseitig bedingender kognitiver Kompetenzen. So verfüge allein die menschliche Sprache über eine rekursive generative Grammatik, die es ermöglicht, mit Hilfe weniger Regeln unendlich viele verschiedene Sätze hervorbringen. Ausschließlich Menschen seien in der Lage, im Kopf komplexe Szenarien zu entwerfen und durchspielen, imaginäre Zeitreisen zu unternehmen und über Gedanken, Emotionen und Stimmungen nachzudenken – sowohl eigener als auch die anderer. Obendrein seien Menschen geborene Imitationskünstler, was sie dazu befähige, kulturelles Wissen weiterzugeben und anzusammeln.

Gestützt auf neueste Erkenntnisse der Anthropologie, der Evolutionsbiologie, der Verhaltensforschung, der Hirnforschung und der Kognitionswissenschaft arbeitet Suddendorf detailliert heraus, wo die kognitiven Grenzen der Tiere verlaufen und inwiefern unser Denken darüber hinaus geht. Auch wenn man ihm in seinem Lobgesang auf den Menschen nicht immer beipflichten mag – sein Buch ist exzellent recherchiert und geschrieben.

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