»Der Wald der Zukunft«: Jedes Blatt, jede Nadel zählt
Braucht es wirklich noch ein weiteres Buch über den Zustand unserer Wälder und zur Wichtigkeit eines Umbaus der Bewaldung? Schreibt Förster Martin Janner etwas grundlegend anderes als die bisherigen Autoren? Oder kann man die kritische Situation tatsächlich nicht oft genug thematisieren?
Wer sich auf die Lektüre des Buches »Der Wald der Zukunft« einlässt, bekommt jedenfalls eine umfassende Mischung aus Faktenwissen und persönlichen Erfahrungen geboten.
Unter anderem gelingt es Janner gut, anhand von Beispielen die Dimension der Langfristigkeit bei der Planung eines nachhaltigen Waldumbaus bewusst zu machen. Da sind etwa die Jahresringe, die im Querschnitt eines Baumstammes sichtbar werden. Die dramatische Bedeutung der schlichten Tatsache »200-jährige Eiche gefällt« wird hier lebendig und anschaulich, wenn man sich vorstellt, dass zur Zeit des Pflanzens – des ersten Rings – Feldmarschall Blücher auf der Jagd nach Napoleon gerade den Rhein überschritten hatte.
Laub raschelt im Sommer wie Pergamentpapier
Hinsichtlich des Klimas wandelt sich dagegen die einstige Langfristigkeit hin zu deutlich kürzeren Zeiträumen. Anders ausgedrückt: Es wird zunehmend wärmer und trockener, immer wieder unterbrochen durch Unwetter und Starkregen. Diese Tatsache kommt zu Recht mehrfach zur Sprache. So ruft der Autor in diesem Zusammenhang zum Beispiel die katastrophalen Stürme wie Kyrill, Lothar oder Wiebke ins Gedächtnis zurück. Nicht nur der normale Waldbesucher dürfte sich mit Schrecken an die Bilder von massenhaft umgestürzten Bäumen erinnern – Janner bekennt, wie persönlich betroffen sie auch ihn und seine Branchenkollegen oder genauso die Waldbesitzer gemacht hätten. Trotzdem seien die Waldarbeiten im Jahresverlauf bis zur Jahrtausendwende noch einigermaßen planbar gewesen. Seitdem müssten Förster mehr reagieren und könnten weniger planen. Diese Aussage, die er später im Buch allerdings wieder relativiert, stützt er wie auch sonst immer wieder mit Zahlen zu den Waldschäden oder wissenschaftlichen Klimaprojektionen.
Zu den vielen negativen Folgen gehört nicht zuletzt der Verlust am Wertstoff Holz, an wichtigem Humus mit seinen Mikroorganismen, an einem Wasser- und Kohlendioxidspeicher. Am Beispiel seines eigenen Reviers im Mittelrheintal geht Janner dann auch auf mögliche Maßnahmen für eine vorausschauende Waldbewirtschaftung ein: Den Verzicht auf Kahlschläge nennt er ebenso wie eine Bepflanzung mit möglichst vielen Baumarten.
Die Fichte – unser Problembaum
Warum kommt in der Diskussion immer wieder die Fichte zur Sprache? Wann und warum wurde sie überhaupt bei uns angepflanzt, obwohl die Standortbedingungen in Ländern wie Schweden und in den Alpen besser sind? Tatsächlich ermöglichte sie nach den Kriegsjahren eine schnelle Aufforstung, weiß Janner. Auch stellte sie dank einer guten technischen Nutzbarkeit des Holzes eine leichte Einnahmequelle für die Forstbesitzer dar. Im Zuge der »Verackerbaulichung des Waldes« hätten dann neue Industriemaschinen und Pestizide wie 2,4,5-T (Agent Orange) dem Altbestand aus Hainbuchen, Eichen und anderen den Garaus gemacht.
Neben der Fichte stellt der Autor noch weitere Baumarten mit ihren Vor- und Nachteilen vor – und erörtert dabei weitere forstwirtschaftliche Aspekte. Am Beispiel der Hainbuche geht er auf Klimatoleranz und mögliche Partnerbäume ein. Bei der Rotbuche, der bei uns häufigsten Laubbaumart, beschreibt er die Praxis der Vermehrung und was man unter einem sich selbst regulierenden System versteht. Die klimaabhängige »Wanderung von Bäumen« schließlich kommt bei der Esskastanie zur Sprache.
Wer Stellung bezieht, kann auch Widerspruch ernten
»Der Wald der Zukunft« – so hat Martin Janner sein Buch betitelt, und er beschreibt vor allem am Ende, welche Merkmale ein solcher Wald seiner Meinung nach haben sollte. Auch sonst greift er gerade in der zweiten Buchhälfte Themen auf, zu denen es unterschiedliche Ansichten gibt – beispielsweise zu der erleichterten Jagd auf Wildtiere. Allseits bekannte, aber wichtige Beobachtungen kommen ansonsten ebenso zur Sprache wie für den Laien Neues: Wer macht sich schon bewusst, dass viel heimisches Holz nicht selten zur Verarbeitung erst mal in Billiglohnländer transportiert wird? Fazit: Vor allem für Neulinge ist das Buch sinnvoll und interessant, weniger aber für »alte Hasen«.
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