Direkt zum Inhalt

Ein Blick in die Zukunft

Wie wird der Klimawandel das Leben in Deutschland beeinflussen? Dieser Frage gehen Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem neuen Buch nach und zeigen darin, was die komplexen Forschungsergebnisse konkret bedeuten.

Der Klimawandel ist in aller Munde. Trotzdem hört man meist nur von abstrakten Forschungsergebnissen, die sich schwer auf die eigene Lebensrealität übertragen lassen. Was bedeutet ein Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius konkret für das Leben in Deutschland? Der Klimawandel wird höchstwahrscheinlich andere Gebiete der Erde schlimmer treffen, dennoch wird sich auch hier das Leben drastisch verändern. Nick Reimer und Toralf Staud, zwei in der Thematik Klimawandel engagierte und erfolgreiche Journalisten, übersetzen in diesem Buch wissenschaftliche Modellierungen in allgemein verständliche Szenarien für die Bundesrepublik.

Die Folgen für verschiedene Lebensbereiche

Das Buch ist in 14 Kapitel aufgeteilt, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Lebensbereiche beschäftigen, darunter Mensch, Natur, Verkehr, Wirtschaft, Tourismus oder Politik. In jedem Kapitel stellen die Autoren wissenschaftlich modellierte Szenarien vor und erläutern, was diese konkret für unsere Region bedeuten. Dafür haben sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen gesprochen und veranschaulichen die Szenarien mit vielen Beispielen. Sie nennen die Auswirkungen auf viele Orte in Deutschland, so dass sich die Leserschaft gut in die Zukunftsszenarien an ihrem Heimatort hineinversetzen kann – es entsteht persönliche Betroffenheit.

Die Autoren schildern beispielsweise, wie sich die steigenden Temperaturen auf die Gesundheit auswirken. Dass die immer häufigeren Hitzewellen viele Todesopfer fordern werden, vor allem bei alten und schwachen Menschen. Und dass eine Siesta, wie man sie aus südlichen Ländern kennt, 2050 in Deutschland zur Normalität gehören wird. Aber auch andere gesundheitliche Gefahren lauern durch die Ausbreitung von Tigermücken oder Zecken, die Krankheiten übertragen, wie Denguefieber, FSME und Malaria. Eine vermehrte Blaualgenblüte wird das Badevergnügen in Seen oder der Ostsee trüben. Der Sommer wird laut Reimer und Staud nicht mehr die unbeschwerte Jahreszeit sein, wie wir sie bisher kannten.

Doch auch andere Bereiche werden betroffen sein. Der Energiesektor wird zum Beispiel weitestgehend auf erneuerbare Energien umsatteln, weil die herkömmlichen Energiegewinnungsformen (wie Kohle oder Kernkraft) zu viel Kühlwasser in einer wärmeren Welt erfordern und dadurch unrentabel werden. Das klingt zunächst positiv, aber der Energiebedarf wird gleichzeitig stark ansteigen, um angesichts der steigenden Temperaturen immer mehr Gebäude zu klimatisieren. Außerdem ist die Stromversorgung, ebenso wie die Verkehrsinfrastruktur, durch häufigere Extremwetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen oder Starkregen gefährdet. Es wird öfter zu Überschwemmungen und Dürren kommen. Denn Klimawandel bedeutet nicht nur, dass es wärmer wird. Es wird vor allem unsicherer. Alte Erfahrungswerte wie Bauern- oder Wetterregeln gelten nicht mehr, das Wetter lässt sich schlechter einschätzen.

Das Buch schließt mit einem Interview mit Ortwin Renn ab, dem Leiter des Instituts für Transformative Nachhaltigkeitsforschung. In diesem erklärt er, warum Politik und Gesellschaft so gleichgültig auf den Klimawandel reagieren. Die Auswirkungen betreffen uns nicht direkt, weshalb die politische Kommunikation geändert werden muss, um die Menschen zu erreichen.

Die einzelnen Kapitel des Buchs beziehen sich aufeinander. Dadurch wird klar, dass die Auswirkungen zusammenhängen und es nicht ausreicht, in nur einem Bereich aktiv zu werden. Alles beeinflusst sich gegenseitig.

Reimer und Staud nehmen die Leserschaft auf 374 Seiten in verständlicher Sprache mit in die Zukunft. Dieser Ausblick erschüttert und stimmt nachdenklich. Immer wieder betonen die Autoren, dass manche der beschriebenen Szenarien mit der bereits heute erfolgten Erwärmung nicht mehr umkehrbar sind. Vieles Beschriebene wird im Jahr 2050 in Deutschland Realität sein.

Aber es gibt Spielraum, um noch extremere Veränderungen aufzuhalten. Reimer und Staud sprechen zu Beginn ihres Buchs davon, dass wir nur durch Klimaschutz die Welt, wie wir sie kennen, mehr oder weniger bewahren können. Ziel des Werks ist es, aufzurütteln, die Betroffenheit durch den Klimawandel jedem einzelnen klarzumachen und dadurch zu erreichen, dass Klimaschutz an erster Stelle steht, damit die Welt auch noch im Jahr 2050 lebenswert ist. Mit diesem Buch, das konsequenterweise klimaneutral produziert ist, leisten die Verfasser jedenfalls einen großen Beitrag dazu.

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Ab nach draußen! - Warum Natur uns glücklich macht

Sprudelnde Gewässer, rauschende Baumkronen sowie Vogelgezwitscher lindern Stress und steigern das Wohlbefinden. Die positiven Auswirkungen der Natur auf die Psyche sind weitläufig und vielschichtig. Doch profitieren nicht nur berufstätige Erwachsene von regelmäßigen Aufenthalten in der Natur.

Spektrum der Wissenschaft – BMH 3/2024 Klimakrise

Starkregen, Hitzewellen, Wirbelstürme – an Extremwetterereignissen wird die drohende Klimakatastrophe für jeden sichtbar. Die Schuldigen hierfür sind schnell ausgemacht: wir alle. Mit Hilfe der Attributionsforschung lässt sich inzwischen statistisch sehr präzise berechnen, inwieweit ein einzelnes Ereignis dem menschengemachten Klimawandel zuzuordnen ist. »Klimakrise« erklärt, welche Phänomene zum Extremwetter beitragen, was zum Klimaschutz unternommen wird und welche Technologien hierzu eingesetzt werden können. So ist der Wasserverlust in Deutschland nicht nur eine Folge klimatischer Einflüsse, sondern auch des schlechten Wassermanagements. Erfolgreiche Projekte zeigen, wie ein besserer Umgang mit Wasser funktionieren kann. Um die Klimaziele zu erreichen, wagt die Bundesregierung einen neuen Anlauf zum Endlager für Kohlenstoffdioxid.

Spektrum - Die Woche – »Für die Energiewende brauchen wir mehr heimische Rohstoffe«

Die Energiewende stellt die deutsche Industrie vor Herausforderungen. Kritische Rohstoffe stammen überwiegend aus dem Ausland. Im Interview erklärt Industrieexpertin Anne Lauenroth Ansätze zur Verringerung dieser risikoreichen Abhängigkeiten. Außerdem in dieser »Woche«: Solidarität in Krisenzeiten

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.