Spirituelle Reise durch Deutschland
Im vorliegenden Buch nimmt der Schriftsteller und Kolumnist Gideon Böss uns mit auf eine Reise zu den verschiedenen Glaubensrichtungen in Deutschland. Er hat diverse Religionsvertreter getroffen und stellt diese Begegnungen in Reportage-Form dar, wobei er unkonventionelle Perspektiven vermittelt. Als Leser(in) erfährt man beispielsweise, dass man bei der Heilsarmee kostenlos frühstücken kann, bärtige Informatiker mit Bauchansatz manchmal nebenberuflich als Hexer arbeiten, und Zusammenkünfte der "Charismatischen Christen" durchaus einmal den Charakter eines Helene-Fischer-Konzerts annehmen.
Der Autor macht weder Halt vor Religionsparodisten, beispielsweise jener der Pastafari, die das "Fliegende Spaghettimonster" verehren, noch scheut er vor erfrischenden Betrachtungen bekannter Religionsgemeinschaften wie die der Katholischen Kirche zurück. Ihm gelingt es, durch Erzählen vermeintlich nebensächlicher Dinge das aufgeladene Thema von seinem imaginären Sockel zu heben und es den Lesern ganz konkret erfahrbar zu vermitteln. Unter anderem zitiert er den deutschen Leiter von "Radio Vatikan" mit der Angabe, der Newsletter des Vatikans habe 17.000 Abonnenten – was dem Zentrum des katholischen Glaubens etwas ganz profan-Weltliches verleiht. Oft erreicht der Autor einen trockenen Humor, ohne ins Blödelnde abzugleiten.
Zweifel erlaubt?
Immer wieder konfrontiert Böss die Vertreter der verschiedenen Religionen mit kritischen Fragen, etwa zur Haltung gegenüber Frauen oder Homosexuellen. Diese bringt er nicht manieriert zur Sprache, sondern wie selbstverständlich. Genau deshalb trifft er damit ins Schwarze. So erkundigt er sich bei Katholiken, warum es keine Priesterinnen in ihrer Kirche gebe und was denn an Frauen anders sei als an Männern. Als man ihm darauf mit "Nichts" antwortet, hakt er nach, ob der Marienkult eine Art Entschädigung dafür sei, dass Frauen keine Spitzenpositionen im katholischen Klerus einnehmen dürfen. Immer wieder prüft der Autor, inwieweit die jeweilige Religion auch Skepsis zulässt, und kommt zu dem Schluss: "Nichts definiert einen Glauben mehr als sein Verhältnis zum Zweifel." Dieser entscheide maßgeblich darüber, ob sich die Anhängerschaft aus tumben Mitläufern oder selbstständigen Individuen zusammensetze.
Böss brach zu seiner Reise in spirituelle Gefilde auch mit dem Gedanken auf, er könne vielleicht eine Religion für sich selbst finden, der bis dato überzeugter Atheist war. Nachdem er Baptisten, Juden, Buddhisten, Schiiten, Aleviten, Mormonen, die Zeugen Jehovas, Scientologen und diverse andere besucht hat, verfestigt sich bei ihm die Erkenntnis, er werde wohl seine Gottlosigkeit so bald nicht aufgeben.
Unterm Strich ist dem Autor ein Werk gelungen, das unterhaltsam, vergnüglich und manchmal skurril zu lesen ist, aber nicht explizit wertet. Die Lektüre lohnt sich – auch und gerade für Atheisten. Trotz aller Unterschiede zwischen den diversen religiösen Gruppen zeigt der Band eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen auf, nämlich ihre Bereitschaft, sich hilfsbedürftigen Menschen zuzuwenden, die im gesellschaftlichen Abseits stehen.
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