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»Die Entdeckung der Milchstraße«: Die Entschlüsselung unserer kosmischen Heimat

Der in der Öffentlichkeit wohl bekannteste Astronom Deutschlands entführt die Leser auf eine 250 Jahre umspannende Reise. Die Leitfrage: Woher wissen wir, dass das zarte, milchige Band am Nachthimmel in Wirklichkeit ein System aus rund zehn Milliarden Sternen ist, die in einer spiralförmigen Scheibe mit rund 100 000 Lichtjahren Durchmesser angeordnet sind? Offensichtlich ist das nicht, doch die Astronomen sind sich einig: Die Milchstraße ist eine ganz typische Galaxie.
Die Sterne von Shakti und Shiva in unserer Galaxis (Computergrafik)

Bücher über Astronomie gibt es viele. Zahlreiche widmen sich den Himmelskörpern des Sonnensystems, da sie fast greifbar oder zumindest besuchbar sind – und es von ihnen zahllose faszinierende Aufnahmen durch Raumsonden gibt. Die zweite große Klasse an Büchern widmet sich dem Kosmos als Ganzem und nähert sich so den Fragen nach dem Ursprung an, die uns seit Menschengedenken umtreiben. Vergleichsweise selten sind dagegen Objekte auf den Größenskalen dazwischen Hauptthema. Doch auch in der Welt der Sterne und Galaxien gibt es viel zu entdecken. Die Autoren dieses Buches nehmen sich unsere Heimatgalaxie vor, die Milchstraße.

Die Entdeckungsgeschichte unserer Galaxie

Die ersten zehn Kapitel schreiten historisch voran, angefangen von Wilhelm Herschel (1738–1822) bis hin zu den Astronomen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wie etwa Edwin Hubble (1889–1953). Herschel war der erste Himmelsforscher, der sich an einer Karte der Milchstraße versuchte – durch mühsame, systematische Sternzählungen. Er wurde so 1785 zum Gründungsvater der galaktischen Astronomie. Die erste Parallaxenmessung durch Friedrich Bessel (1784–1846) ergab 1835 für einen Milchstraßenstern im Sternbild Schwan einen Abstand von rund zehn Lichtjahren, was das erste Mal die wahre Größe der Milchstraße erahnen ließ. Den Abstand des Sonnensystems zum Zentrum des Sternsystems bestimmte erstmals Harlow Shapley (1885–1972), indem er die stark asymmetrische Verteilung der Kugelsternhaufen am Himmel nutzte. 1917 folgerte er, dass sich die Sonne weit vom Zentrum entfernt befindet. Und Hubble war es schließlich, der unwiderleglich zeigte, dass die Milchstraße keineswegs die einzige Galaxie im Universum ist.

Die folgenden Kapitel verweben dann die weitere Entdeckungsgeschichte mit modernen Forschungsergebnissen. Seit dem 20.  Jahrhundert arbeiten viele Astronomen parallel an verschiedenen Aspekten der Milchstraße, so dass die Autoren keiner streng historischen Sortierung mehr folgen konnten. Wesentlich für die weitere Erforschung waren andere Strahlungsarten als sichtbares Licht, insbesondere Radiowellen und Infrarotstrahlung. Mit beiden kann man quer durch die Milchstraße blicken, weitestgehend ungetrübt durch das staubige Gas, das im Optischen den Blick verstellt. So erfährt der Leser von der Spiralstruktur, der zentralen, erdnussförmigen Verdickung oder dem turbulenten Zentrum der Milchstraße, das ein vier Millionen Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch beherbergt.

Ein spannendes Buch – mit Schwächen in den hinteren Kapiteln

Ein letztes Kapitel widmet sich der Entstehungsgeschichte der Milchstraße – und ihrer Zukunft. Vermutlich fünf Mal in ihrem Leben ist die Milchstraße mit einer anderen Galaxie kollidiert, und in rund vier Milliarden Jahren steht wieder ein kosmischer Zusammenstoß bevor: Unser Sternsystem wird mit dem nächsten großen Nachbarn, der Andromedagalaxie, verschmelzen. Die Sonne wird zu dieser Zeit noch leuchten, jedoch bald zu einem roten Riesenstern werden.

Die Autoren sind Profiastronomen und -kommunikatoren, und vor allem Harald Lesch dürfte den meisten Lesern durch seine Fernsehpräsenz bekannt sein. An manchen Stellen hört man regelrecht seinen Plauderton, etwa wenn er schreibt: »Die große Arbeitsbelastung [...] raubte dem Workaholic Herschel viel Energie, aber so richtig fertig machten ihn die Streitereien [...].« Doch auch den Profis unterlaufen Ungenauigkeiten: Abbildung 16, die erklären soll, warum Bessels Stern auf Grund seiner hohen Eigenbewegung verdächtig war, verfehlt den Punkt, den sie machen soll. Ein weiter entfernter Stern hat eine kleinere Winkelgeschwindigkeit als ein naher Stern, allein schon durch den größeren Abstand. In der Abbildung ist aber nicht nur der Abstand der beiden skizzierten Sterne verschieden, sondern auch deren Geschwindigkeitsvektor. Damit sinkt der Erklärungswert auf null. Oder warum auf Seite  66 die vermeintlich geringen Gehälter in den USA um 1900 Thema sind, erschließt sich auch nicht – denn natürlich müsste man diese um die Inflation korrigieren, um die Zahlen einordnen zu können.

Nicht jeder Abschnitt liest sich flüssig. Etwa die Beschreibung der zentralen Verdickung der Milchstraße auf Seite 196 ist etwas holprig geraten, und Bemerkungen wie »Diese Beobachtungen werfen ein neues Licht darauf, wie unsere Galaxie einst ihre heutige Form bekam« bleiben ohne weitere Erklärung leere Phrasen. Der größte Schwachpunkt des Buches ist jedoch der, den die Autoren auch selbst im Vorwort schon benennen: dass sie in den hinteren Kapiteln zwischen der Entdeckungsgeschichte und der Beschreibung der Milchstraße hin- und herspringen müssen. Wäre wirklich keine klarere Strukturierung möglich gewesen? Fast wirkt es dadurch, als ob dem Autorenteam zum Ende des Buches hin die Zeit weggelaufen ist. Oder vielleicht fehlt einfach auch nur der zeitliche Abstand, um die Fülle an neuen Erkenntnissen stringent darzustellen. In jedem Fall: Hier gibt es noch Platz für ein weiteres Astronomiebuch.

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