»Die Erfindung des Rades«: Das Rad – Ursprung und Anwendungen
Das Rad, Achsen und Gefährte gelten als Grundmechaniken des Ingenieurwesens und der Industrialisierung. Grund genug, sich der Entwicklung dieser Basistechniken zu widmen. Dies tut der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann, indem er uns zu den frühen Formen von Rad und Wagen ins vierte Jahrtausend v. Chr. mitnimmt und uns die technischen Entwicklungen – über die Antike bis in die Renaissance – vorstellt.
Das Buch lässt sich grob in zwei Teile mit kurzen, gut lesbaren Kapiteln einteilen: In Kapitel 1–4 befasst sich Haarmann mit der Verwendung des Wagens und den Ursprüngen der Achsentechnologie in Form von Töpferscheibe und frühen Karren bis zum Höhepunkt der Streitwagenzeit und der Schlacht von Kadesch zwischen Ägyptern und Hethitern. Auf Basis von sprachwissenschaftlichen Analysen und anhand von archäologischen Funden verortet Haarmann das Entstehungsgebiet der Wagentechnologie in die Kontaktzone zwischen Donau und Eurasischer Steppe – von hier aus verbreitet sich die Technik in den Alten Orient, nach Mitteleuropa sowie nach Indien und China. Dieser Ansatz ist nicht neu, korreliert aber mit den Thesen des Forschers zu den Indogermanen und deren prähistorischer Migrationsgeschichte.
Im zweiten Teil (Kapitel 5–9) erforscht der Autor dann den Wagen und das Rad in »angewandter Form« – etwa in der Radsymbolik oder in der Metapher des Wagens in Religion und Philosophie oder anhand von abgeleiteten Technologien, wie Mühlen, Spinnrad, Wasserschraube oder Zahnrad. Hier wirken die Beispiele wesentlich selektierter, und die Ausführungen erscheinen knapp und oberflächlich. Zudem fallen die bisweilen großen Sprünge in Zeit und Raum auf. Das macht es schwer, einem roten Faden zu folgen – was allerdings auch an der gewählten Struktur liegt.
Interessant sind die Exkurse in Haarmanns Spezialgebiet: der indoeuropäischen Sprachforschung. Allerdings bleibt es bei dem Vergleich des Wortschatzes von Fachtermini aus dem Feld von »Rad und Wagen«; dies ist jedoch nicht immer verständlich. Hier könnte man den Leser etwas mehr an die Hand nehmen und Hintergründe und Bedeutungen erläutern. Generell wären Verbreitungskarten und Zeitdiagramme neben den vielen schönen Bildern hilfreich gewesen. Ebenso sind die technisch-mechanischen Ausführungen wie auch das Zusammenspiel mit der Tierzucht und dem Training von Zugtieren mitunter sehr einfach gehalten.
Haarmanns Ideen – besonders seine Thesen im ersten Teil – sind jedoch nicht unumstritten: Befunde rund um den Wagen tauchen im vierten Jahrtausend v. Chr. etwa zeitgleich in verschiedenen Regionen Eurasiens auf.
Was weiterhin in vielen Teilen fehlt, ist eine echte Diskussion der Daten: Interpretationen werden vielfach ohne Literatur- oder Quellenangaben präsentiert. Gerade bei gesellschaftlichen Rekonstruktionen oder bei der Präsentation von Schlüsselfunden wäre ein Zitat nötig. So sind viele seiner Ansichten und Erklärungen zu Wagen und Rad als Teil seiner Theorie zur Ausbreitung der Indogermanen zu verstehen – eine Tatsache, die sich etwa auch darin niederschlägt, dass er sich vielfach selbst zitiert.
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