»Die Evolution der Schönheit«: Feminismus im Vogelreich
Wer die Netflix-Serie »Unser Planet« gesehen hat, der hat vielleicht noch die Szene vor Augen, in der ein blau-rot gefärbter Vogel mit drei Artgenossen penibel einen Balztanz einstudiert. Überzeugt die aus Sprüngen und Gesängen bestehende Choreografie ein Weibchen, darf sich das Alphamännchen mit ihm paaren.
Dem exzentrischen Balzverhalten der Blaubrustpipras widmet sich auch der Ornithologe Richard Prum in seinem 2018 für den Pulitzer-Preis nominierten Buch »Die Evolution der Schönheit – Darwins vergessene Theorie zur Partnerwahl« und nennt es die »stärkste sexuelle Selektion, die je bei Wirbeltieren festgestellt wurde«. Denn die meisten männlichen Blaubrustpipras sind bei den wählerischen Weibchen chancenlos. Trotzdem müssen sie bei der aufwändigen Show mittanzen, damit sie eines Tages vielleicht zu Alphatieren aufsteigen und sich fortpflanzen können.
Mit diesem und vielen weiteren Beispielen aus dem Leben der Vögel macht Prum sich für eine modern anmutende These stark: Unter vielen Vogelweibchen herrsche sexuelle Autonomie bei der Partnerwahl. Diese soll dazu geführt haben, dass sich bestimmte ästhetische Vorlieben wie die Balztänze der Pipra-Männchen evolutionär durchgesetzt haben.
Mit Darwin gegen Darwin
Schönheit als Kriterium für die Selektion? Damit stellt sich Prum gegen die in der Evolutionsbiologie gängige Annahme, dass so genannte sexuelle Ornamente von Vogelmännchen die reproduktive Fitness ausdrücken – gewissermaßen also für »gute Gene« und damit gesunde Nachkommen stehen. Die Idee entspricht dem Prinzip der natürlichen Selektion, das bekanntermaßen auf Charles Darwin zurückgeht.
Allerdings hat der Naturforscher auch erkannt, dass Ornamente wie der bunte Schweif eines männlichen Pfaus nicht zu der Annahme passen, dass nur die am besten angepassten Tiere überleben und sich fortpflanzen. Eher machen die auffälligen Merkmale sie zur Zielscheibe von Räubern. Schon Darwin vermutete deshalb, dass das bunte Aussehen vieler Vogelmännchen mit »Geschmäckern« der Weibchen zu tun hat.
Prum greift nun diese oft vergessene Theorie auf, um den von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern meist als zu subjektiv empfundenen und deshalb gemiedenen Begriff der »Schönheit« in der Forschung Geltung zu verschaffen. Das (nicht nur) ornithologische Wissen, das er dafür anwendet, ist beeindruckend, macht es Fachfremden jedoch an manchen Stellen schwer, seiner Argumentation zu folgen. Nach mehr als 450 Seiten plus zahlreicher Fußnoten stellt sich somit ein gewisser Ermüdungseffekt ein – trotz des verständlichen, mitunter launischen Schreibstils des Autors. Das ist schade, denn im zweiten Teil seines Buchs wagt Prum einen interessanten Sprung von der Partnerwahl des Tiers zu der des Menschen.
Inhaltlich hätte der Autor etwas weniger über das Verhalten einzelner Vogelarten und dafür mehr über die Ausnahmen von seiner und Darwins Theorie schreiben können. Dazu gehört zum Beispiel der Papageientaucher, bei dem Männchen und Weibchen einander stark ähneln. Auch stellt sich, wie der Biologe Michael Wink in einem Aufsatz angemerkt hat, die Frage, ob bei der Partnerwahl der Vögel nicht vielleicht Schönheit und Fitness eine Rolle spielen. Evolutionsforscherinnen und Biologen, die für Prums Ansatz offen sind, finden darin vielleicht ein spannendes Forschungsthema.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben